Ritus
nicht länger warten, da ich Besseres zu tun habe, als meinen wertvollen Hengst durch kratzige, zeckenverseuchte Ginsterhecken zu jagen, meinen Rock zu ramponieren und auf magere Wölfe zu schießen.« Er hob die Hand. »Au revoir, messieurs.«
Sie erwiderten den Gruß. Als er außer Hörweite war, starrte Pierre seinen Bruder an. »Was hast du denn mit dem Comte zu schaffen?«
»Ich beliefere ihn mit Hunden«, meinte er leichthin, legte sich auf den Fels und schloss die Augen. »Er weiß ihre Qualitäten zu schätzen.«
Jean ahnte, was der Comte mit den Tieren trieb. »Hunde für seine Kämpfe und Wetten, ja?«
»Was ist dagegen einzuwenden? Ich züchte die Besten.« Er bewegte den Fuß und deutete mit seinem Absatz blind auf Surtout. »Alle seine Nachkommen haben gewonnen. Der Comte möchte mich mit nach Paris nehmen. Dort kann ich mit meinen Hunden richtig viel Geld verdienen, anstatt einen Hungerlohn vom Marquis zu bekommen, weil ich auf seinen Wald aufpasse.«
Wieder näherten sich Pferde, dieses Mal von der anderen Seite. Zwei Männer, die zur Truppe de Beauternes gehörten, lenkten ihre Reittiere einige Schritte von den Chastels entfernt aus dem Wäldchen auf den schmalen Weg. Jean erkannte sie sofort wieder: Es waren die beiden Männer, mit denen sie um ein Haar eine Schlägerei in Saugues angefangen hatten. Ihre Namen kannte er inzwischen auch. Der kleinere hörte auf den Namen Lachenay und war Jäger des Duc, der andere hieß Pelissier und gehörte zur Königlichen Garde.
Surtout knurrte sie wütend an, die Pferde blieben stehen.
Antoine öffnete die Augen und hob den Kopf. »Ah, sieh an«, murmelte er, dann blickte er sich um. Niemand war zu sehen. »Die kommen wie gerufen für ihre Abreibung.« Er schaute zu Surtout. »Aufpassen, Surtout!«, sagte er mit zischender Stimme, und der Rüde entblößte die langen Zähne, die der Bestie sicherlich ebenbürtig waren.
»Bist du verrückt?« Pierre sprang vom Fels und packte den Mastiff am Halsband. »Ich halte ihn, Messieurs«, rief er ihnen zu. »Ihr könnt kommen.«
»Seid Ihr sicher?«, vergewisserte sich Lachenay.
»Ja«, rief Pierre zurück. »Es kann Euch nichts geschehen.«
Pelissier machte den Anfang. Nach zehn Schritten sanken die Hufe seines Pferdes jedoch plötzlich ein. Das Tier geriet sofort in helle Aufregung und versuchte, dem verschlingenden Untergrund zu entkommen. Es tat einen gewaltigen Satz und warf Pelissier ab, der durch die weiche Oberfläche brach und bis zum Gürtel einsank.
»Ein Sumpfloch«, lachte Antoine laut auf und klatschte begeistert in die Hände. »Das war vorzüglich, Pierre! Vorzüglich!«
»Ich wusste nicht, dass da eines war«, sagte der verblüfft und schaute zu seinem Vater. Er saß auf dem Stein und betrachtete, wie der Gardist mehr und mehr unterging. Der Morast stand ihm bereits bis zur Brust. Lachenay wagte sich nicht näher heran und wusste nicht, wie er seinem Freund beistehen sollte.
Jean gefiel es. Sicher würde er den beiden gleich zu Hilfe kommen, aber für die Worte im Gasthof sollten sie noch ein wenig büßen. »Hättet ihr mal besser auf den Weg geachtet!«, rief er.
»Euer Sohn sagte, es sei sicher!«, schrie Pelissier außer sich. Lachenay hatte einen langen Stock abgeschnitten und hielt ihn dem Gardisten hin.
»Ich meinte wegen des Hundes«, verteidigte sich Pierre und staunte seinen Vater an, der keinerlei Anstalten machte, sich zu bewegen. »Was ist? Willst du zusehen, wie er absäuft?«
»Ja, liebend gern!«, kreischte Antoine und kugelte sich vor Gelächter. »Soll das Schwein im Morast versinken! Das kommt davon, wenn man das Land nicht kennt, ihr Großmäuler!« Er rutschte vom Stein. »Alors, mein Kleiner! Beweg dich nicht zu sehr, sonst zieht es dir schneller die Hosen runter, als es eine Hure vermag!«
Lachenay war es inzwischen gelungen, Pelissier zu sichern und ihn langsam aus dem Schlamm zu ziehen. Der Gardist büßte seine beiden Stiefel und seinen Degen ein, ein Opfer an den Morast.
Jean grinste. Damit hatte er sich Arbeit erspart. Aber für den Königlichen Gardisten war die Sache nicht erledigt.
Er suchte sich einen Weg um das Moorloch herum, kam verdreckt und stinkend wie er war auf Antoine zu und packte ihn beim Kragen. »Schuft! Kanaille! Ich lasse dich ins Gefängnis werfen, bis dein Fleisch von den Knochen gefault ist!«
Jean rutschte auf den Boden, um einzugreifen, bevor ein Unglück geschah. Surtout tobte in Pierres Griff und versuchte, an Pelissier zu gelangen,
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