Ritus
den er augenblicklich in Stücke gerissen hätte.
Antoine sprengte den Griff des Gardisten und schlug sofort zu. Da war aber schon Lachenay neben ihm und versetzte ihm einen Hieb ins Gesicht, dass er rückwärts gegen den Stein taumelte. »Oh. Das wird lustig«, rief Antoine. »Surtout, aus!« Dann warf er sich gegen die beiden Männer.
Es wurde eine wilde Schlägerei, in die Jean und Pierre notgedrungen eingriffen. Antoine teilte mit solcher Kraft Hiebe aus, dass die Nasen der Fremden rasch brachen, Augen zuschwollen, Lippen und Haut aufplatzten. Der Mastiff blieb nach dem Befehl seines Herrn wie angewurzelt sitzen, knurrte und bellte, ohne einzugreifen.
Beim Versuch, einen Haken von Antoine abzuwehren, brach sich Lachenay den Unterarm, und der nachfolgende Schwinger zertrümmerte ihm den Oberkiefer. Blutige Zähne fielen auf den Boden.
Pelissier hatte Pierre niedergeworfen und wollte Jean attackieren, als ihn Antoine von der Seite ansprang, ihn gegen den Stein und von da auf den Boden schleuderte. Mit einem brachialen Schrei hob er den Stiefel, der Absatz zielte auf den Schädel des Besiegten.
»Halt!« Lachenay schaffte es trotz seiner Verletzung, seine Muskete auf Antoine zu richten.
Ohne nachzudenken, nahm sich Jean seine Muskete und legte auf den Jäger des Duc an. »Weg mit der Waffe!« Pierre rollte sich herum und langte ebenfalls nach seinem Gewehr, der Lauf schwenkte auf Lachenay.
Antoine hielt inne, weil er sah, was von seiner nächsten Tat abhing. Langsam senkte er den Stiefel. Stattdessen spuckte er auf den Liegenden, die grünen Augen funkelten wild. »Das habt ihr davon.« Seine langen schwarzen Haare umgaben sein Gesicht wie eine düstere Wolke und verhüllten sein bleiches Antlitz.
»Wir gehen«, befahl Jean ihm barsch und senkte die Muskete.
Sein Herz klopfte wild, weil er sich bewusst wurde, welche Ungeheuerlichkeit er und seine Söhne soeben angerichtet hatten.
»Erst will ich noch …«
» LOS! «
Am folgenden Tag, als sich die Chastels wieder auf der Jagd befanden, wurden sie von einer Gruppe Soldaten abgefangen und verhaftet.
XVIII.
KAPITEL
Ungarn, Budapest, 16. November 2004, 07:43 Uhr
Eric erwachte von den Schmerzen in seinem Nacken. Er öffnete die Augen und bemerkte Lena im Morgenmantel neben seinem Koffer. Sie betrachtete die klare Flüssigkeit, die aus einem kleinen Fläschchen auf ihre ausgestreckte Handfläche tropfte.
Eric setzte seine Brille auf, um besser sehen zu können. Das Fläschchen stammte nicht aus dem mitgebrachten Medikamentenberg – sondern aus seinem Kulturbeutel! Lena zählte die Tropfen mit und würde – wenn er es nicht verhinderte – das Mittel ablecken, wie es auf der Anleitung stand. Woher sollte sie wissen, dass es nicht die auf dem Etikett angegebene Substanz war? Ihre Hand näherte sich dem Mund.
»Halt!« Eric verließ sich nicht darauf, dass sie auf ihn hörte. Er hechtete aus dem Bett und warf sich gegen sie. Sie fielen auf den Teppich, und ihm gelang das Kunststück, sie im Fallen über sich zu drehen, damit sie auf ihm landete und sich nicht durch den Aufprall verletzte.
Sie lag auf ihm, der Morgenmantel klaffte auseinander und gab ihre Brüste frei, die nun verführerisch nahe vor Erics Gesicht pendelten. Er erkannte jedes noch so kleine Detail, beispielsweise den winzigen Leberfleck oberhalb der linken Mamille, die glatten, rosafarbenen Höfe und die Andeutung einer Narbe neben der rechten Brust. Er liebte sekundäre Geschlechtsmerkmale.
Dann wurde ihm der Anblick genommen, denn Lena zog die Ränder des Mantels zusammen. Ihre grünen Augen schauten böse und überrascht, während sie versuchte, ihre Haare aus dem Gesicht zu streichen. »Auf die Erklärung bin ich sehr gespannt.« Sie bewegte sich nicht von ihm herunter.
»Wer hat Ihnen gesagt, dass Sie meine Toilettenartikel durchstöbern sollen?«
»Ich hatte Halsweh, und in Ihrer Familientüte voller Wundermittel war nichts dagegen zu finden. Da habe ich mir erlaubt, mal nachzuschauen.« Sie roch an ihrer Hand, auf der es noch immer feucht glitzerte. »Ist das Haltbarkeitsdatum abgelaufen?«
»Eine private Arznei«, wich er aus und genoss es, wie ihr Geruch ihn appetitlich umspülte. Die Wärme ihres Körpers sickerte durch den Morgenmantel und durch seine Kleidung bis auf seine Haut. Es erregte ihn maßlos. »Ich habe sie in dieses Fläschchen gefüllt, weil ich nichts anderes zur Hand hatte.«
»Es ist also nichts gegen Halsschmerzen?«
»Nichts gegen Halsschmerzen.«
Weitere Kostenlose Bücher