Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
die prestigeträchtigen Jagden leiten wollte, anstatt sich von den Männern des Königs bevormunden zu lassen und sich ihnen beugen zu müssen. Man erzählte sich, dass der Comte bereits Beschwerdebriefe über den »Neuen« nach Paris sandte, weil es keinerlei Erfolge zu verzeichnen gab. Jean begrüßte die Uneinigkeit der Jäger. Es war für ihn und seine Söhne von Vorteil.
    Malesky breitete die Zeitungen vor sich aus. »Hier, seht, alles voll mit unserer Bestie! Selbst in England und Deutschland spricht man über sie.« Er grinste und hielt eine Karikatur in die Höhe, auf welcher Louis XV. zu sehen war, der hinter einem lachenden, hundeähnlichen Tier herlief, aus dessen Rachen ein Dutzend Arme und Beine ragten. »England liebt es, sich über den König lustig zu machen. Unfähigkeit ist dabei noch das mildeste Wort.«
    »In diesem Land sind alle unfähig, die Bestie zur Strecke zu bringen.« Antoine lachte laut und aufgekratzt. »Niemand bekommt sie zu fassen. Das sagt auch der Comte. Nur einer aus unserer Gegend kann das.«
    »Lieutenant de Beauterne wird es schaffen.« Laut drang die Stimme durch den Raum. Ein Mann von kräftigem Wuchs in der blauen Uniform der Garde des Königs und mit den Rangabzeichen eines Capitaine hatte sich erhoben. »Er versteht mehr von der Jagd als alle anderen zusammen.«
    Antoines Körper spannte sich; er war auf der Stelle bereit, den verbalen Schlagabtausch mit den Fäusten weiterzuführen. Jean blieb gelassen. »Er mag etwas von Jagd verstehen, wie Monsieur Denneval, aber er hat keine Ahnung vom Gevaudan. Daher könnte der Ansatz, die Gegend zu erkunden, ehe er sinnlose Hatzen durchführen lässt, ein Zeichen seiner Schläue sein.« Er schob sich ein Stück Brot in den Mund. »Wir werden sehen, was er erreicht.«
    »Und Ihr seid wer, Monsieur, dass Ihr dem Krakeeler an Eurer Seite beispringt?«
    »Ihr habt Euch nicht vorgestellt, warum sollte ich es tun?«, gab Jean zurück und deutete auf die Tür, um seinen Söhnen zu verstehen zu geben, dass sie gingen. Er wollte sich nicht auf einen sinnlosen Disput einlassen. Er stand auf, Pierre und Antoine folgten ihm, während Malesky die Entwicklung der Dinge abwartete.
    »Ihr seid dieser Chastel«, traf es den Wildhüter in den Rücken. »Dieser Waldmensch, der mit den Tieren spricht. Wer weiß, vielleicht fing man die Bestie deshalb nicht, weil Ihr der Kreatur Unterschlupf gewährt habt?« Die Worte kamen der Wahrheit unangenehm nahe, und Pierre senkte schuldbewusst den Kopf.
    Jean hörte Stuhlbeine über die Holzdielen rutschen, noch jemand war aufgestanden. Er spürte Angst in sich aufsteigen.
    »Man hat uns zugetragen, dass Ihr und Eure Söhne oft dort auftaucht, wo die Bestie angreift. Habt Ihr etwas mit ihr zu schaffen, Chastel?« Eine zweite Stimme hatte sich dazugesellt, und sie klang aggressiv. »Sind wir der Lösung des Rätsels in dieser Stube näher als draußen in den Wäldern des Gevaudan?«
    »Meine Söhne und ich sind Jäger, die sich die zehntausend Livres des Königs verdienen wollen.«. Er zwang sich zur Ruhe, rief seine zitternden Beine zur Ordnung und ging zum Ausgang. Unterwegs packte er seinen Sohn, der Anstalten machte, auf die Männer loszugehen, am Oberarm und zog ihn mit sich. »Fragt Monsieur Malesky, ob wir etwas mit den Morden zu tun haben.«
    »Ich frage aber Euch, Chastel«, setzte der erste der Männer nach. »Euer Sohn Antoine stellt kleinen Mädchen und jungen Frauen nach. Macht es Euch nicht stutzig, dass die Bestie mit Vorliebe das gleiche Wild erlegt?«
    Nun war das Maß voll. Diese ungeheure Anschuldigung vor aller Augen und Ohren durfte Jean nicht ohne angemessene Reaktion stehen lassen, und so wandte er sich um, um den beiden Rednern in die Augen sehen zu können. Der zweite, kleinere Mann trug die Farben des Duc d’Orleans, eines Blutsverwandten des Königs. Nun wurde es doppelt gefährlich, denn jeder Angriff konnte als Majestätsbeleidigung ausgelegt werden. »Messieurs, hütet Euch vor derlei Geschwätz«, warnte er sie. »Ich lasse es mir nicht gefallen.«
    Antoine hob die Fäuste. »Kommt her, ihr Maulhelden! Ich prügle euch Verstand ein.«
    Der kleinere der Fremden musterte ihn. »Sieh an, der getroffene Hund bellt. Oder sollte ich sagen, die getroffene Bestie?« Er deutete auf den Ausgang. »Hinaus mit euch und schert euch zum Montchauvet, wie es allen Männern der Pfarrei von de Beauterne im Namen des Königs befohlen wurde. Heute ist eine Jagd.«
    Jean packte seine Söhne und schob

Weitere Kostenlose Bücher