Rivalen der Liebe
musste hier drinnen! Julianna kniff die Augen zusammen, um schärfer sehen zu können – und erkannte zu ihrem grenzenlosen Erstaunen, dass Roxbury den Fremden auf dem pinkfarbenen Teppich zu Boden gerissen hatte. Als Nächstes hörte sie dumpfe Schläge und wie etwas zersplitterte. Jemand grunzte, und dann knallten wieder Fäuste auf Haut und Knochen.
Julianna hielt die Waffe auf die Kämpfenden gerichtet und war bereit, jederzeit zu schießen. Aber sie wusste, dass ihr nur ein Schuss blieb und dass sie mit etwas Pech den Falschen treffen könnte.
Sie zuckte zusammen, als ein besonders heftiger Schlag sein Ziel traf. Das durfte auf keinen Fall so weitergehen. Hektisch richtete Julianna die Pistole auf die Zimmerdecke und drückte den Abzug.
Das Gerangel auf ihrem Teppich hörte sofort auf, als der Schuss knallte.
Der Eindringling suchte das Weite, und Roxbury setzte ihm nach.
Kapitel 42
Nach einer gefühlten Ewigkeit kehrte Roxbury in ihr Zimmer zurück. Sein Hemd klebte an seinem Oberkörper, und auf seiner muskulösen Brust bemerkte Julianna schimmernde Schweißtropfen. Selbst im Mondlicht konnte sie erkennen, wie geschunden und wund seine Fäuste waren. Er war nicht unversehrt davongekommen. Eine kleine Platzwunde war auf seiner Wange, und eines seiner Augen würde am nächsten Morgen arg zugeschwollen sein. Sie war davon überzeugt, dass der Eindringling sehr viel übler zugerichtet war, obwohl sie für diesen wiederum kein Mitgefühl aufbringen konnte.
Roxbury setzte sich neben sie auf die Bettkante, und Julianna hielt den Atem an. Als sie sich diesen Augenblick ausgemalt hatte, war er nicht mit einem mitternächtlichen Einbruch oder seinen neuerlichen Verletzungen verknüpft gewesen. In ihrer Fantasie hatte Juliannas Herz vor Verlangen schneller geschlagen und nicht aus Angst. Aber trotzdem saßen ihr Ehemann und sie nun Seite an Seite auf dem Bett – und das, nachdem er sie gerade vor dem Einbrecher gerettet hatte.
»Geht es dir auch gut?«, erkundigte Roxbury sich. Seine Stimme klang kratzig und atemlos.
»Mach dir um mich keine Sorge«, flüsterte sie und schob ihm eine Locke seines Haars aus der Stirn. »Wie geht es dir?«
»Ich soll mir keine Sorgen um dich machen?«, wiederholte Roxbury. Seine Betroffenheit, dass sie so etwas Absurdes allen Ernstes vorschlug, war herzerwärmend. »Mein Gott, Weib. Ich habe gerade fast einen Mann für dich ermordet – und dass es mir nicht gelungen ist, liegt nicht daran, dass ich es nicht versucht hätte …« Er dehnte seine Finger und verzog dabei schmerzlich das Gesicht. Julianna konnte trotz der Dunkelheit erkennen, wie geschwollen und abgeschürft sie waren.
Diese Hände haben für mich gekämpft , dachte sie. Der Gedanke war ziemlich schmeichelhaft.
Somerset hatte nie um sie gekämpft. Somerset hatte so viele Dinge nie getan, die Roxbury für sie tat. Roxbury redete mit ihr, brachte ihr etwas bei und brachte sie zum Lachen, statt sie mit Missachtung zu strafen und seine kleine Frau einfach still vor sich hin brüten zu lassen. Und er verbrachte die Nacht wenigstens unter einem Dach mit ihr, wenn er schon nicht das Bett mit ihr teilte.
Das mit uns beiden könnte vielleicht doch funktionieren , dachte Julianna sehnsüchtig .
» Gut, dass du ihn nicht ermordet hast«, sagte sie, »das hätte nur zu einem heillosen Durcheinander geführt.« Inzwischen hämmerte ihr Herz, weil sie ihren Ehemann wirklich mochte . Tatsächlich wurde aus diesem »Mögen« angesichts seiner nächtlichen Heldentaten rasch so etwas wie Liebe …
Dieser Wandel ihrer Gefühle war für Julianna sogar noch beängstigender als der Eindringling. Ihr Herz schlug schneller und entsprechend heftiger.
»Wenigstens hat dein Sinn für Humor den Überfall unbeschadet überstanden«, meinte Roxbury, und sie sah, wie er schmunzelte. »Und wie steht’s um den Rest von dir?«
»Ich war außer mir vor Angst«, bekannte sie ihm. »Zum Glück hatte ich meine Pistole. Ich habe Penny noch mal zum Bloomsbury Place geschickt, um sie zu holen.«
Roxbury nickte schelmisch und überhaupt nicht böse. »Genau davor habe ich mich insgeheim gefürchtet, falls ich des Nachts mal uneingeladen bei dir vorbeikommen sollte«, gestand er.
Aha, er hatte also auch an sie gedacht … Und daran, mit ihr zu schlafen …
Julianna triumphierte innerlich. Und war gleichermaßen beruhigt. Denn jetzt wusste sie auch, weshalb er so lange gezögert hatte, sie zu küssen oder sich nachts zu ihr zu schleichen: Er
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