Rivalen der Liebe
glaubte offensichtlich, sie würde seinen Annäherungsversuchen ablehnend gegenüberstehen und hatte deshalb nie den Versuch unternommen.
Plötzlich ergab das alles einen Sinn. Nein, besser noch: Sie hatte gerade eine Wahrheit erfahren, die einfach wunderbar war. Es war nicht so, dass Roxbury sich seiner Gefühle für sie nicht sicher war! Nein, im Gegenteil, er wollte sie wirklich – das hatte er eben durch die Blume eingestanden –, jetzt musste sie ihm nur zeigen, dass sie etwas für ihn empfand. Und dann wären sie endlich richtig verheiratet …
Julianna schluckte. War sie dafür wirklich schon bereit? Und er auch? War jetzt wirklich schon der richtige Zeitpunkt? Sie wusste es nicht.
»Ich bin froh, dass du hier warst, als ich dich so dringend gebraucht habe«, sagte sie leise, denn das war immerhin etwas, das sie sicher wusste. Und das wollte sie ihn unbedingt wissen lassen. »Ich danke dir.«
»Natürlich war ich hier, Julianna«, sagte Roxbury ernst. »Wo hätte ich denn sonst sein sollen?«
»Somerset war nicht immer hier«, antwortete sie leise. Während ihrer ersten Ehe hätte sie mit einem Eindringling allein fertigwerden müssen, weil Somerset zu diesem Zeitpunkt vermutlich in irgendeinem Club oder in einer Spielhölle gewesen wäre. Oder er hätte bewusstlos im Korridor vor ihrem Schlafzimmer gelegen.
»Ich bin nicht wie er«, erklärte Roxbury ihr mit fester Stimme. »Ich bin ein anderer Mann. In jeder Hinsicht, Julianna.«
»Ich weiß …«, antwortete sie. Inzwischen hatte sie in vielerlei Hinsicht erkannt, worin Roxbury sich von Somerset unterschied. Durchaus auch im positiven Sinne. Er war nicht einmal im Ansatz so, wie sie befürchtet hatte.
»Und du bist nicht das Mädchen, das du damals bei deiner ersten Hochzeit warst«, fügte er hinzu.
»Ich weiß«, sagte Julianna schnell, obwohl sie nicht genau verstand, was er damit meinte. Sie war ja wirklich nicht mehr siebzehn. Sie hatte viel über das Leben gelernt und war mittlerweile um einiges klüger und erfahrener. Wenn es allerdings um Männer und die Liebe ging, fühlte sie sich ehrlich gesagt noch genauso dumm wie in jener heißen Sommernacht, als sie beschlossen hatte, mit Somerset wegzulaufen.
Ja, sie kannte die dunkle Seite der Leidenschaft. Aber vielleicht war es mit Roxbury anders. Vielleicht wurde mit ihm alles gut. Vielleicht wurde sie an seiner Seite glücklich. Ja, vielleicht könnten sie wirklich glücklich zusammenleben bis an ihr Lebensende.
Darüber dachte sie nach, als Roxbury ihren Namen flüsterte.
Als Julianna ihm das Gesicht zuwandte, umschloss er ihre Wangen sanft mit beiden Händen.
Sie hielt den Atem an. Jetzt würde er sie gleich küssen – das wusste sie einfach. Und weil sie es wusste, konnte Julianna den Augenblick genießen. Sie nahm den Anblick seines atemberaubenden Gesichts tief in sich auf – die schrägen Wangenknochen und die mandelförmigen Augen, die Frauen den Atem raubten. Sein Mund hatte schon Hunderte Frauen geküsst, das wusste Julianna – aber in diesem Moment wusste sie auch, dass ihre Lippen die letzten waren, die seine berührten. Für immer.
Julianna lächelte, damit er verstand, dass auch sie ihn wollte. Und dann legte Roxbury – endlich! – seine Lippen auf ihren Mund und küsste sie.
Dieser Kuss ließ die Erinnerung an alle vorherigen Küsse vollständig verblassen.
Seine Lippen lagen so leicht auf ihren, und das machte sie vom ersten Augenblick an verrückt. Sie hatten so lange auf diesen Moment gewartet, denn beide standen so kurz davor, sich in den anderen zu verlieben, und dann setzte er nur diese winzigen, federleichten Küsse auf ihren Mund? Gierig öffnete Julianna die Lippen und verlangte geradezu verzweifelt nach mehr …
Seit der ersten Berührung seiner Lippen waren zwar erst wenige Sekunden vergangen, doch die Lust und die Verführung hatten sich nun schon seit Wochen aufgestaut. Seit Roxbury sie damals in Knightlys Büro verwegen und dreist von oben bis unten gemustert hatte und ihr eine heiße, tiefe Röte ins Gesicht gestiegen war. Ja, seit diesem Moment litt sie an dieser ungeduldigen, nagenden Sehnsucht, ihn hitzig und leidenschaftlich zu berühren und genauso von ihm berührt zu werden.
Sanft hielt er sie nun in den Armen, als fürchtete er, sie könne sich ihm im nächsten Moment entziehen oder versuchen zu fliehen. Julianna packte sein Hemd, das noch schweißnass war und zog es ihm entschlossen über den Kopf. Achtlos ließ sie es dann auf den Boden
Weitere Kostenlose Bücher