Rivalen der Liebe
in wenigen Sekunden wissen.
Die Treppe knarzte unter seinem Stiefel, und der Mann, der sich auskennt, fluchte leise.
Er verzog das Gesicht und ging trotzdem weiter, denn es gab noch ein Gerücht, das er ein für alle Mal verifizieren wollte: War Lady Somerset – die neue Lady Roxbury – die Lady mit Klasse, die über die »Geheimnisse der Gesellschaft« schrieb? Von allen Gerüchten, die in London die Runde machten, war dieses dasjenige, das ihn nächtelang wachhielt. Wenn er ihre Identität bestätigen und enthüllen könnte, wer seine erbittertste journalistische Feindin war, wäre er der größte Journalist, den diese Stadt je gesehen hätte.
Wie er das Gerücht genau bestätigen sollte, wusste er allerdings nicht. Seine Hoffnung war, die Entwürfe für neue Kolumnen zwischen ihren Unterlagen zu finden, die er gleich zu durchsuchen gedachte – falls sich die Gelegenheit dazu ergab.
Am oberen Ende der Treppe sah er zwei Türen. Wie immer in einer solchen Situation entschied der Mann, der Bescheid weiß, dem Zufall den Vorzug zu geben. Willkürlich wählte er eine der beiden Türen aus. Seine Hand schloss sich um den Türknauf; langsam drehte er ihn gegen den Uhrzeigersinn und schob dann die Tür auf. Die Vorhänge waren nicht zugezogen, und so konnte er im Licht des Monds immerhin ein bisschen was erkennen.
Da war ein Bett, und in diesem Bett lag jemand. Eine Frau, erkannte er, denn diese Person hatte lange, dunkle Haare, die über das Kissen ausgebreitet waren. Aber handelte es sich um Lady Roxbury oder eine Mätresse?
Mit rasendem Puls wagte er, sich dem Bett zu nähern. Wenigstens schlief sie.
Kapitel 41
Sie schlief natürlich nicht. Julianna hatte die Augen weit aufgerissen und beobachtete die Tür, die sich langsam öffnete. Sie konnte im Licht des Mondes kaum etwas sehen, und die glühenden Kohlen im Kamin verströmten auch kein Licht. Aber was sie sah, genügte ihr. Sie sah nämlich die große, dunkle Gestalt eines Mannes, die ihr Schlafgemach betrat.
Vorsichtig, um ja kein Geräusch zu machen, bewegte er sich auf ihr Bett zu. Ihr Herz hämmerte so heftig, dass Julianna es bis zum Hals klopfen spürte, was es ihr unmöglich machte, zu schreien. Und das wiederum verstärkte noch ihre Panik.
War das ein Einbrecher? Oder ihr Ehemann? Und wenn es nicht Roxbury war, sondern ein ruchloser Eindringling, wo zum Teufel steckte ihr verdammter Ehemann? Wie konnte er sie in dieser Situation alleinlassen? Da war ein Fremder in ihrem Schlafzimmer, um Himmels willen! Hier in Mayfair!
Ihr blieb nur eine Möglichkeit: Sie musste abwarten, bis er näher kam, um ihn dann mit vorgehaltener Waffe zu überraschen. Im Stillen dankte Julianna Gott für ihren Ungehorsam, dass sie Penny zurück zum Bloomsbury Place Nummer 24 geschickt hatte, um die Pistolen zu holen.
Jetzt ruhte die Pistole zwischen ihren verschwitzten Handflächen, während Julianna auf den richtigen Moment wartete, um sie hervorzuziehen.
Wo zur Hölle war Roxbury? Verdammt, er sollte hier, direkt neben ihr liegen!
Wenn ihr Ehemann jetzt an ihrer Seite wäre, müsste sie nicht mit einer Pistole in den klammen Händen im Bett liegen und Todesängste ausstehen. Hatte man nicht genau für solche Situationen einen Ehemann? Damit er einen beschützte, wenn Gefahr dräute? Wenn sie mit irgendwelchen Eindringlingen alleine fertigwerden wollte, hätte sie auch einfach am Bloomsbury Place bleiben können. Und genau das würde sie auch tun, beschloss Julianna bitter – nach Hause zurückkehren, sobald sie mit diesem Eindringling fertig war. Aber vorher würde sie ihrem Ehemann noch gehörig die Meinung sagen.
Aber um Gottes willen, der Fremde, der im Schein des düsteren Mondlichts bedächtig einen Fuß vor den anderen setzte und immer näher kam – er steuerte direkt auf ihr Bett zu!
Juliannas Herz raste. Keine Frage: Jetzt stand es nicht mehr zur Debatte, länger auf Rettung zu warten, sie musste selbst handeln!
Rasch richtete sie sich auf, und eine intensive Mischung aus Wut und Angst durchflutete sie mit Adrenalin.
»Keinen Schritt näher«, sagte Julianna eisig, »oder ich schieße.« Der Eindringling blieb stehen. Sie hoffte, dass er nicht sah, wie sehr ihre Hände zitterten.
Er trat keinen weiteren Schritt näher auf sie zu. Tatsächlich war das Nächste, was sie hörte, der dumpfe Knall, mit dem der Eindringling zu Boden stürzte. Hatte sie etwa gefeuert? Oder hatte sie ihn mit ihrer Pistole zu Tode geängstigt?
Dass es auch so dunkel sein
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