Rivalen der Liebe
gewinnen, die nach allem, was man weiß, vorher nicht wohlhabend war?«, fragte Lady Gilbert.
»Besonders, wenn man überlegt, dass er nie der Typ fürs Heiraten gewesen ist«, fügte Lady Walmsly hinzu. Augenblicklich errötete Lady Gilbert und murmelte verschämt etwas Zustimmendes.
Gewöhnlich kannte der Mann, der Bescheid weiß, die Beweggründe seiner Studienobjekte. Und es wurmte ihn gewaltig, in diesem Fall so unwissend zu sein.
»Wenn man sich die beiden so anschaut, machen sie einen sehr verliebten Eindruck auf mich«, erklärte Lord Walpole. Als die Roxbury-Kutsche an ihnen vorbeifuhr, hielt er sich das Monokel interessiert vor das Auge, um besser sehen zu können. Sie drehten sich alle in die Richtung, in die Walpole blickte, und starrten ziemlich offensichtlich auf das Skandalpaar der Saison. Der Kutscher drosselte sogar das Tempo, damit ihnen auch ja nichts entging.
Lord Roxbury sagte gerade etwas, das Lady Roxbury ziemlich laut auflachen ließ.
»Es muss Liebe sein«, stellte Lord Walpole im Brustton der Überzeugung fest.
Lord Brookes verdrehte die Augen. »Aber was ist so lustig an einer Vernunftehe?«, fragte er ratlos in die Runde.
Was den Mann, der Bescheid weiß, an dieser ganzen Sache mit Lord und Lady Roxbury am meisten beunruhigte, war der Umstand, dass es hier auch um die Nummer eins der Verdächtigen bei der Frage ging, wer die Lady mit Klasse war.
Die Kolumne wurde in letzter Zeit eindeutig von jemand anderem verfasst – von jemandem mit vergleichsweise schwerfälligerem Ton, der eindeutig keinen Spaß an diesem Thema hatte. Der Wechsel hatte sich ungefähr zum selben Zeitpunkt vollzogen, als die Hochzeit der Lady Somerset mit Londons bekanntestem Schwerenöter bekanntgegeben wurde. Sie hatte außerdem in jüngster Zeit keine Nachrichten mehr ins Büro der Weekly geschickt (das hatte er überprüft).
Tatsächlich saß sie die ganze Zeit zu Hause und empfing nur wenige Besucher. Gott allein mochte wissen, womit Lord und Lady Roxbury beschäftigt waren, sobald die scheußlichen Vorhänge vor den Fenstern zugezogen wurden – was übrigens gelegentlich auch schon tagsüber passierte.
Zu viele Fragen. Und längst nicht genug Antworten.
Erneut überlegte er, sich endlich zur Ruhe zu setzen. Aber gewiss nicht heute Abend …
Kapitel 40
Später an diesem Abend, kurz nach Mitternacht
Roxbury hatte schon jede nur erdenkliche schamlose, schändliche und sehr nackte Fantasie ersonnen, bei der seine Frau eine nicht unbedeutende Rolle spielte, als er das Geräusch hörte. Tatsächlich hatte er sogar darüber nachgedacht, aufzustehen und zu ihrem Schlafgemach zu gehen, um eben jene schamlose, schändliche und sehr nackte Fantasie in die Realität umzusetzen. Es war falsch, dass sie in ihrem eigenen Bett lag und allein war. Und genauso falsch war es, wenn er allein in seinem Bett lag.
Aber das ungewohnte Geräusch ließ ihn zögern, und nach wenigen Sekunden konnte er es lokalisieren: Jemand war soeben auf die knarzende Stufe getreten. Es hörte sich nicht nach einem Diener an, zumal die Dienerschaft ohnehin die Hintertreppe benutzte. Die Schritte waren zu schwerfällig und zu zögerlich. Es klang eher so, als würde jemand die Treppe hochschleichen – oder hinunter, um aus dem Haus zu gelangen.
Oh nein! Dieses Weib würde ihn nicht bei Nacht und Nebel einfach im Stich lassen! Nicht nachdem sie gemeinsam so viel durchgemacht hatten und erst recht nicht nach dem heutigen Tag! Er hatte sie in den Armen gehalten und sie Liebes genannt. Sie hatte gelächelt und erklärt, das würde ihr gefallen. Das war umso erstaunlicher, da sie erst vor knapp einem Monat einander am liebsten an die Gurgel gegangen wären und sich wie Hund und Katze gestritten hatten.
Es war seine Absicht gewesen, sie zu verführen. Aber inzwischen ging es ihm nicht allein darum, sie ins Bett zu bekommen. Es ging um Liebe und eine Ehe, bei der er nicht alles verderben wollte. Es gab keine Worte für das Entsetzen, das diese Erkenntnis in Roxbury auslöste. Und ihr erging es vermutlich nicht anders. Aber auch wenn es beängstigend war, was da gerade mit ihnen passierte, war er doch fest entschlossen, seinen Mann zu stehen und eisern auszuharren. Er würde es jedenfalls nicht hinnehmen, wenn sie ihn jetzt einfach verließe.
Auf der anderen Seite des Flurs …
Er hatte sie während der Kutschfahrt dann doch nicht mehr geküsst. Und ebenso wenig nach ihrer Rückkehr nach Hause. Nicht vor dem Abendessen und selbstverständlich
Weitere Kostenlose Bücher