Rivalen der Liebe
leise.
»Ja, wenngleich nur ungern«, gab Julianna freimütig zu. »Diese Art und Weise, sich Informationen zu beschaffen, ist einfach perfekt. Weshalb bin ich nie auf so etwas gekommen? Andererseits: Er hat ja auch einen ziemlich großen Vorsprung – immerhin macht er das ja auch schon seit vierzig Jahren.« Sie hatte es bislang nur auf ein Jahr als gefeierte Gesellschaftskolumnistin gebracht.
»Vierzig Jahre …«, meinte Eliza nachdenklich und pfiff leise. »Das ist schon beeindruckend.«
Als sie nach etwa dreißig Minuten, in denen sie sich müßig im Kirchenschiff herumgedrückt hatte, ebenfalls an die Reihe kam, ging Julianna direkt zum Altar und kniete sich neben den einzigen Mann, der sie bisher mehr verärgert hatte als Roxbury.
»Ich muss ein Geständnis machen«, begann sie, weil es ihr ratsam schien, so zu beginnen.
Er sagte nichts, sondern nickte nur, um ihr zu bedeuten, dass sie fortfahren solle.
Julianna biss sich verdrießlich auf die Lippen, denn sie wollte so gerne seine Stimme hören. Vielleicht erkannte sie sie ja wieder … Und vielleicht war genau das der Grund, weshalb er nichts sagte.
»Lady Rawlings und Lady Stewart-Wortly wurden dabei gesehen, wie sie gestern im Hyde Park Lord und Lady Roxbury gegrüßt haben«, begann sie leise und versuchte, ihre Stimme möglichst gut zu verstellen. »Und Lady Feversham hat das Paar zu ihrer Soiree am nächsten Donnerstag eingeladen.«
Lady Feversham hatte nichts dergleichen getan, aber Sophie hatte die Veranstaltung erwähnt, und Julianna hatte unbändige Lust, dorthin zu gehen. Nach längerem Nachdenken darüber, wie sie sich eine Einladung ergattern könnte, war Julianna auf genau eine Möglichkeit gekommen: Sie musste sich durch den Mann, der Bescheid weiß, in aller Öffentlichkeit laden lassen.
»Wirklich? Das finde ich überraschend«, bemerkte dieser zu ihrer Verärgerung. Aber wenigstens konnte sie endlich seine Stimme hören, die sehr englisch klang. Der Akzent war jedoch schwer zuzuordnen.
Der Mann, der Bescheid weiß, hob nur leicht den Kopf und blickte sie von der Seite an. Julianna, die das Gesicht gesenkt hielt und es hinter einer großen Haube und einem dichten, schwarzen Schleier verbarg, wagte einen Seitenblick in seine Richtung. Sie sah ein sauber rasiertes Kinn. Aber vor allem bemerkte sie die ziemlich lädierten, geschwollenen Hände, mit denen er seinen Mantel wieder tiefer ins Gesicht zog.
Ihr Herz begann unkontrolliert zu hämmern. Diese Hände gehörten nämlich einem jungen Mann.
Da sie genug gesehen hatte, stand sie auf und eilte rasch aus der Kirche. Sie konnte ihre Aufregung kaum verhehlen.
Die ganze Zeit hatte sie nach einem alten Mann gesucht! Dabei war er in Wahrheit noch sehr jung. Wieso war sie nicht früher auf die Idee gekommen, dass es kein alter Mann war, der seit vierzig Jahren die Kolumne schrieb? Ehrlich gesagt war bisher niemand auf die Idee gekommen. In all den Jahren nicht! Aber das erklärte immerhin, wie es ihm all die Jahre gelungen war, seine Identität geheim zu halten.
Der Mann, der Bescheid weiß, war ein junger Kerl, dessen Hände geschwollen und lädiert waren. Julianna dachte an die vergangene Nacht – und diesmal nicht an den Teil, als sie und ihr Ehemann sich zum allerersten Mal geliebt hatten, sondern eher an die Schlägerei, an den ziemlich üblen Faustkampf, bei dem es auf dem Fußboden ihres Schlafgemachs fast um Leben oder Tod gegangen war. Zwei Gentlemen hatten miteinander gekämpft.
War der Eindringling also tatsächlich der Mann gewesen, der Bescheid weiß?
Kapitel 44
Bruton Street Nummer 28
»Wo hast du gesteckt?«, bellte Roxbury, als Julianna das Haus betrat. Nach ihrem geheimen Treffen mit dem Mann, der sich auskennt, hatte sie sich von Eliza getrennt und war auf direktem Weg heimgefahren. Roxbury empfing sie bereits im Foyer – noch so ein grässlich eingerichteter Raum mit seinen schwarzweißen Wandbespannungen, dem schwarzweiß karierten Marmorfußboden, einem glitzernden Kronleuchter und ziemlich öden goldgerahmten Landschaftsgemälden. Es war, mit einem Wort, bizarr.
»Ich freue mich auch, dich zu sehen, Liebling!«, sagte sie fröhlich. In Kürze würde sie jemanden einstellen müssen, der das ganze Haus neu einrichtete und dekorierte. Am besten gleich morgen.
Und, du meine Güte, der Bluterguss auf seiner Wange konnte es mit ihrem wirklich aufnehmen!
»Wo bist du gewesen?«, wollte Roxbury noch einmal wissen. »Noch dazu in einer Mietsdroschke?!«
»Du hast
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