Rivalen der Liebe
ungerührt dreinzublicken, aber ihre rosigen Wangen verrieten sie.
»Oh mein Gott …«, murmelte Eliza und lächelte gerissen. »Da steckt definitiv etwas anderes hinter.«
»Wir haben uns geliebt … Oder etwas in der Art«, nuschelte Julianna.
» Etwas in der Art ?«, echote Eliza.
»Na ja, wir haben jedenfalls nicht von Liebe gesprochen, wenn du das meinst. Aber wir haben …«
»Und?«, hakte Eliza neugierig nach. Das Gespräch begann ihr sichtlich Spaß zu machen, und vermutlich lag das vor allem daran, dass die für gewöhnlich so direkte Julianna Somerset Roxbury ziemlich schweigsam war und so heftig errötete, wie man es sonst eher bei einem unschuldigen Schulmädchen erwarten würde.
»Wenn das so ist, dann weiß ich genau, was los ist«, sagte Eliza mit wissender Miene. »Heute morgen ist er in Panik geraten, weil er entdeckt hat, dass bei ihm auch Gefühle im Spiel sind.«
»Ist das der Grund? Du meinst, er ist wirklich deshalb verschwunden?« Juliannas Mut sank. Wenn es nach ihr ginge, brauchte er sich nicht den Kopf zu zerbrechen, Zweifel zu hegen oder, noch schlimmer: einfach zu verschwinden. Sie stand kurz davor, sich mit Haut und Haaren in ihn zu verlieben. Und wenn er sie jetzt damit alleine ließ, wäre sie für alle Zeiten am Boden zerstört.
Aber weshalb sollte er das tun?
Julianna erinnerte sich wieder an seine Küsse und all die Liebkosungen. Das musste irgendwas bedeuten, auch für ihn. Etwas Schönes, Dauerhaftes und Wahrhaftiges.
»Darauf würde ich wetten. Und jetzt sei still, wir sind nämlich da.«
Julianna war zwar nicht im Geringsten beruhigt, aber ihre Mission bot ihr wenigstens ein wenig Ablenkung von den Gedanken an Roxbury, und das war ja ursprünglich auch der Plan gewesen.
Die beiden Freundinnen stiegen aus der Kutsche und rannten durch den leichten Nieselregen zum Kirchenportal. Julianna verlangsamte ihre Schritte, als sie die Tür durchschritten. Sie war seit ihrer Hochzeit das erste Mal wieder hier.
Sie erinnerte sich an die geradezu kaltblütige und hartherzige Entschlossenheit, mit der sie genau diesen Mittelgang entlanggeschritten war und sich trotzig ihrer Zukunft gestellt hatte. Die Ehe hatte ihr damals nur als Mittel zum Zweck gedient, um ihren Ruf wiederherzustellen. Die Hochzeit war für sie nur eine Notwendigkeit gewesen.
Und jetzt, nur wenige Wochen später, war daraus vielleicht Liebe erwachsen.
Julianna schritt nun erneut den Gang entlang, aber dieses Mal war Eliza an ihrer Seite. Der Gedanke an Liebe, an Roxbury, an körperliche Lust und eine gewisse Verwunderung über ihr neues Leben beherrschten ihre Gedanken. Konzentrier dich, ermahnte sie sich. Das war genau der Grund, warum sie sich immer davor gefürchtet hatte, sich wieder neu zu verlieben: Weil sie sich so gut kannte, dass sie wusste: Dann würde sie die wahrhaft wichtigen Dinge vergessen und sich lieber Hirngespinsten über romantische nächtliche Abenteuer und sehr verdorbene, angenehme Dinge hingeben. Solche Dinge, wie sie sie erst vergangene Nacht hatte entdecken dürfen.
Heute jedoch war der Mann, auf den sie zuschritt, der seit jeher geheimnisvolle und überaus lästige Mann, der Bescheid weiß.
Es war genau so, wie man es sich erzählte: Der Mann, der dort vor dem Altar wie zum Gebet kniete, trug einen weiten, schwarzen Mantel. Nacheinander knieten sich einige jener Leute, die sich im Kirchenschiff herumtrieben, neben ihn und steckten die Köpfe mit ihm zusammen. So wechselten Geheimnisse, Lügen und Skandale in aller Öffentlichkeit den Besitzer.
»Sieh nur«, flüsterte Eliza und zeigte verstohlen auf ein paar sehr brutal wirkende Männer, die in der Nähe des Altars im Schatten herumlungerten. Es war wahrscheinlich, dass sie nur deshalb hier herumlungerten, um die Identität des Mannes, der Bescheid weiß, zu beschützen. Gott stehe demjenigen bei, der versuchte, die Kapuze des Mantels herunterzureißen und einen Blick auf das Gesicht darunter zu erhaschen.
Da war er also, direkt vor ihr – ihr Erzrivale und Erbfeind. Warum war sie eigentlich bisher nie hergekommen? Julianna kannte die Antwort: Weil sie ihm nicht im Entferntesten die Gelegenheit bieten wollte, sie zu entlarven. Weil sie zu eifersüchtig auf seinen Erfolg war oder zu beschäftigt damit, ihren eigenen Vorrat an skandalösen Häppchen an sich zu raffen und diese Gerüchte – egal ob wahr oder falsch – eifersüchtig zu hüten.
»Du musst zugeben, dass dieses Arrangement einfach perfekt ist«, sagte Eliza
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