Rivalen der Liebe
verteidigen müssen.«
»Darf ich dich vielleicht daran erinnern, dass ich – wenn auch nicht tatsächlich, sondern nur von Herzen – zu diesen Schreiberlingen aus der Grub Street gehöre, die ihr Geld mit Klatsch und Tratsch verdienen?«, fragte sie eisig und sah Roxbury herausfordernd an.
»Julianna, du weißt doch, wie ich das meine«, sagte er leise, aber entschieden.
»Ja, das weiß ich. Ich weiß, dass es dich mehr interessiert, was die Welt über uns denkt, als das, was ich in dieser Beziehung empfinden oder über dich denken könnte.« Sie widerstand dem Drang, mit dem Fuß aufzustampfen.
»Das ist nicht wahr. Ich habe das hier für uns getan. Für dich – um dir zu zeigen …«
»Und du hast es nicht einmal für notwendig befunden, mich in dieses Geheimnis einzuweihen, obwohl du genau weißt, wie ich mich fühle, wenn man Geheimnisse vor mir hat«, fügte sie hinzu. Nicht, dass sie sich grundsätzlich irgendetwas aus Geheimnissen machte. Aber es war ihr schon wichtig, zu Rate gezogen zu werden, wenn eine Angelegenheit sie beide betraf. Sie war kein Kind und keine brave, kleine Frau, die immer und grundsätzlich mit allem einverstanden war oder es sogar begrüßte, wenn man die Entscheidungen eigenmächtig und über ihren Kopf hinweg für sie traf. Und das wusste Roxbury ganz genau!
»Ich habe einen Fehler gemacht, Julianna«, sagte Roxbury ehrlich. Er nahm ihre Hände und blickte ihr tief in die Augen. »Es tut mir leid«, fügte er noch hinzu. »Meine Absichten waren rein.«
Sie nahm den tiefen Schmerz wahr, der sein Gesicht zeichnete. Das machte aber alles nur noch schlimmer, denn Julianna konnte genau sehen, dass nichts sich so entwickelte, wie er es geplant hatte. Er hatte erwartet, einen Triumph davonzutragen, und jetzt …
Es tat ihr im Herzen weh, ihren Ehemann so verzweifelt zu sehen, denn sie wollte ihn immer glücklich machen. Andererseits konnte sie aber einfach nicht tolerieren, was er ihr angetan hatte. Sie hatte ihm vertraut, und sie liebte ihn wider besseren Wissens.
»Ich will nach Hause«, sagte Julianna. Und sie ließ ihn einfach stehen.
Das ist schon merkwürdig , überlegte Julianna im Gehen. Vor wenigen Augenblicken hatte sie dem Mann, der Bescheid weiß, quasi gegenübergestanden, dem erklärten Ziel ihrer Bemühungen, und jetzt war sie viel mehr besorgt und in Gedanken mit dem anderen Mann in diesem Raum befasst. Sicher, das hatte auch etwas zu bedeuten. Es schien für sie nicht länger das Wichtigste auf der Welt zu sein, ihren Erzfeind zu enttarnen. Tatsächlich hatte nichts mehr eine Bedeutung, weil sie sich von ihrem Liebsten, ihrem Ehemann und Freund betrogen fühlte.
»Julianna.« Roxbury sagte leise ihren Namen, und sie hörte, wie er ihr folgte. Eilig bog sie um die nächste Ecke. Jetzt wollte sie vor allem eines: allein sein.
»Julianna.«
Sie vermisste ihn schon jetzt. Aber wenn sie sich auf ein Gespräch mit ihm einließe, würden sie eher streiten als sich versöhnen. Rasch wandte Julianna sich ab, öffnete die erste Tür, die sie entdeckte, und schlüpfte in das Zimmer dahinter. Was sie dort aber sah, ließ sie schockiert die Augen aufreißen. Ihre Lippen öffneten sich zu einem Keuchen, aber kein Laut drang über ihre Lippen.
Die Szene, die sich in diesem Zimmer abspielte, war so unanständig, so empörend und absolut unerwartet, dass Julianna sich sogar in den Arm kniff. Die Szene, über die sie gerade zufällig gestolpert war, ließ sie völlig vergessen, dass ihre Ehe sich gerade in Wohlgefallen aufgelöst hatte. Denn der Anblick, der sich ihr bot, war zu unwirklich, um wahr zu sein.
Es gab Skandale und dann gab es heiße, schlüpfrige Das-wirst-du-mir-nie-glauben-lieber-Gott-im-Himmel- SKANDALE . Dieser hier war eindeutig Letzteres.
Julianna drehte sich um, weil sie Simon davon erzählen wollte – um ihre Freude, ihren Triumph, ihre Aufregung zu teilen –, doch er war nicht da.
Und schon war der Augenblick völlig verdorben.
Kapitel 49
Zuhause war, wie sich herausstellte, Bloomsbury Place Nummer 24. Roxbury wachte am nächsten Morgen auf und musste feststellen, dass seine Frau mit all ihren Sachen bereits verschwunden war.
Wenn andere Frauen ausgezogen waren oder damit drohten, hatte er meist nichts anderes als Erleichterung verspürt. Wenn er versucht war, sie zu vermissen, brauchte er sich nur das scheußlich eingerichtete Speisezimmer oder den Salon anschauen, um sich daran zu erinnern, welcher Zukunft er gerade noch entronnen war. Und dann
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