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Rivalin der Götter erbin3

Rivalin der Götter erbin3

Titel: Rivalin der Götter erbin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jemisin
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durchgedrückten Beinen, wild zerzaustem Haar und blitzenden Augen. Es war ihr egal. Sie sah so aus, als ob sie kurz davor war, die Treppe hinunterzumarschieren und mich noch einmal zu treten.
    »Ich werde sein, was ich sein will«, verkündete sie. »Ich werde eines Tages das Familienoberhaupt sein! Was ich sage, werde ich auch tun. Ich werde gut sein!«
    Ich stand auf. In Wahrheit war ich nicht verärgert. Es liegt in der Natur von Kindern, sich zu zanken. Im Grunde war ich froh zu sehen, dass Shahar immer noch sie selbst war unter all dem gezierten Gebaren und der Seide. Sie war so schön, wenn sie wütend und halb verrückt war. Für einen füchtigen Moment verstand ich, was Itempas in ihrer Vorfahrin gesehen hatte.
    Doch ich glaubte ihr nicht. Dadurch wurde meine Laune noch schlechter. Ich ging die Treppe wieder hinauf und biss die Zähne zusammen.
    »Dann lass uns ein Spiel spielen«, sagte ich und lächelte. Deka stand auf. Er schien zwischen Angst und dem Bedürfnis, seine Schwester zu verteidigen, hin- und hergerissen. Unsicher blieb er, wo er war. In Shahars Augen war keine Angst zu sehen. Ein Teil ihres Ärgers verblasste zu Skepsis. Sie war nicht dumm. Sterbliche wussten immer, dass sie vorsichtig sein mussten, wenn ich auf eine bestimmte Art lächelte.
    Ich blieb vor ihr stehen und streckte meine Hand aus. Darin
erschien ein Messer. Da ich Yeines Sohn war, handelte es sich um ein Messer der Darre, eins der Art, das sie ihren Töchtern gaben, wenn sie das erste Mal lernten, auf der Jagd zu töten. Es war sechs Zoll lang, gerade, silbrig und hatte einen Grifaus Knochen mit filigranen Verzierungen.
    »Was ist das?«, fragte sie und runzelte die Stirn.
    »Wonach sieht es aus? Nimm es.«
    Es dauerte einen Moment, dann nahm sie es, hielt es unbeholfen und betrachtete es mit sichtbarem Widerwillen. Es war ofenbar zu barbarisch für ihre Amn-Sensibilität. Ich nickte zustimmend und winkte dann Dekarta zu mir, der mich mit seinen wunderbaren dunklen Augen musterte. Zweifellos erinnerte er sich an einen meiner anderen Namen: Gauner. Er reagierte nicht auf meine Geste.
    »Hab keine Angst«, sagte ich zu ihm und ließ mein Lächeln unschuldiger und weniger angsteinfößend wirken. »Schließlich hat deine Schwester mich getreten, nicht du, stimmt’s?«
    Die Vernunft errang den Sieg da, wo der Charme versagt hatte. Er kam zu mir. Ich nahm ihn bei den Schultern. Er war nicht so groß wie ich, also beugte ich mich hinab, um ihm ins Gesicht zu schauen. »Du bist wirklich sehr hübsch«, sagte ich. Er blinzelte überrascht, und die Spannung fiel von ihm ab. Ein Kompliment hatte ihn vollkommen entwafnet. Wahrscheinlich bekam das arme Ding sie nicht allzu oft. »Weißt du, im Norden wärst du ein Schönheitsideal. Darre-Mütter würden bereits um die Chance feilschen, dass du eine ihrer Töchter heiratest. Nur hier bei den Amn ist dein Aussehen etwas, für das man sich schämen muss. Ich wünschte, sie könnten dich als Erwachsenen sehen. Du würdest Herzen brechen.«
    »Was meinst du mit ›würdest‹?«, fragte Shahar. Ich beachtete sie nicht. Deka starrte mich wie die Beute eines jeden Jägers wie gebannt an. Ich hätte ihn aufressen können.
    Ich umfasste sein Gesicht mit meinen Händen und küsste ihn.
Er schauderte, obwohl ich meine Lippen nur kurz auf seine gepresst hatte. Ich hatte die Macht meines Selbst zurückgehalten, denn schließlich war er nur ein Kind. Dennoch, als ich mich zurückzog, waren seine Augen glasig, und farbige Flecken erwärmten seine Wangen. Er bewegte sich nicht; auch nicht, als ich meine Hände herabgleiten ließ und seinen Hals umfasste.
    Shahar verharrte bewegungslos mit aufgerissenen Augen. Schließlich bekam sie es mit der Angst zu tun. Ich warf einen kurzen Blick zu ihr hinüber und lächelte erneut.
    »Ich glaube, du bist genau wie jeder andere Arameri«, sagte ich leise. »Ich glaube, du würdest mich lieber töten, als zuzulassen, dass ich deinen Bruder ermorde, denn das wäre richtig und anständig. Doch ich bin ein Gott, und du weißt, dass ein Messer mich nicht aufhalten kann. Es wird mich nur verärgern. Dann würde ich dich und ihn töten.« Sie zuckte zusammen. Ihre Blicke fogen zwischen mir und Dekartas Kehle hin und her. Ich lächelte und merkte, dass meine Zähne scharf geworden waren. Das tat ich nie mit Absicht. »Also glaube ich, dass du ihn eher sterben lassen wirst, als dich in Gefahr zu begeben. Was meinst du?«
    Sie tat mir fast leid, wie sie schweratmend dastand.

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