Rivalin der Götter erbin3
ausgelöscht: Sie geraten ins Kreuzfeuer der endlosen Kämpfe und Begattungen der Drei, werden versehentlich in den Mahlstrom gezerrt oder fallen einer der Legionen von Gefahren zum Opfer, die einem jungen Gott begegnen. Insbesondere der Krieg hat ihre Anzahl dezimiert. Außerdem gebe ich zu, dass auch ich einen gewissen Anteil ihrer Leben ausgelöscht habe. Warum hätte ich das auch nicht tun sollen, wenn sie so töricht waren, sich in die Angelegenheiten ihrer Respektspersonen
einzumischen? Dennoch gab es einige, die ich nicht töten konnte. Sie hatten sich durch den Apokalypsetest als würdig erwiesen. Die mnasat haben uns durch das drastische Beispiel ihrer Tode gezeigt, dass wahrhaftiges Leben und nicht die pure Stärke die Dinge unter uns bestimmen. Diejenigen, die sich ihrer Natur unterwarfen, erlangten eine Macht, die den stärksten unter uns ebenbürtig war; diejenigen, die sich vergaßen, egal welch angeborene Stärke sie besaßen, fielen.
Daraus kann man noch eine weitere Lehre ziehen: Es kann kein Leben ohne Tod geben. Sogar unter den Göttern gibt es Gewinner und Verlierer, jene, die fressen, und die, die gefressen werden. Ich habe noch nie gezögert, meine unsterblichen Gefährten zu töten, doch manchmal bedaure ich die Notwendigkeit.
Die Dämonen nahmen den vierten Rang ein, falls ihr euch gefragt haben solltet. Es hat allerdings keinen Sinn, jetzt von ihnen zu sprechen.
Ich erwachte mit einem groben Knurren und Stöhnen. Träume. Ich hatte diese Plage des sterblichen Fleischs schon vergessen gehabt. Es war schlimm genug, dass die Sterblichen so viel ihres Lebens bewusstlos verbrachten – aber Enefa hatte ihnen obendrein auch noch Träume gegeben, um ihnen etwas über sich selbst und ihr Universum beizubringen. Nur wenige nahmen die Lektionen an. In meinen Augen waren sie eine völlige Verschwendung der Schöpfung. Diesem Umstand hatte ich es zu verdanken, dass ich diese Geistesfürze jedes Mal ertragen musste, wenn ich schlief. Entzückend.
Es war spät abends, der Morgen war noch fern. Obwohl ich nur drei oder vier Stunden geschlafen hatte, verspürte ich kein Verlangen nach Ruhe mehr. Vielleicht, weil ich noch nicht vollständig sterblich war. Also was sollte ich mit den Stunden anfangen, bis Shahar aufwachte, um mich zu unterhalten?
Ich stand auf und durchstreifte erneut den Palast. Diesmal gab
ich mir keine Mühe, mich zu verstecken. Die Diener und Wachen sagten trotz meiner unscheinbaren Kleidung und der leeren Stirn nichts, als ich an ihnen vorbeiging. Allerdings spürte ich ihre Blicke in meinem Rücken. Was hatte Morad, oder wer immer jetzt Hauptmann der Wache war, ihnen über mich gesagt? In ihrem Starren lag weder Verehrung noch Abscheu. Lediglich Neugier – und Vorsicht.
Zuerst ging ich in den Unterpalast zur Nirgendwotreppe. Zu meinem Entsetzen gab es sie tatsächlich nicht mehr.
An ihrer Stelle befand sich ein ofenes Atrium. Drei Etagen breiter, runder Balkone umgaben einen Platz, der mit Skulpturen und Topfpfanzen, die nur wenig Pfege benötigten, umgebaut worden war. Wenigstens war es hier nicht mehr staubig. Vielleicht vernachlässigten die Arameri den Unterpalast nicht länger, seitdem sie erkannt hatten, dass er Geheimnisse barg. Dem Atrium fehlte die gewollt sorglose Atmosphäre, die die meiste Architektur Elysiums aufwies. Ich konnte sehen, wo die Kanten der Balkone von den Schreibern ein wenig zu eilig geformt worden waren. Dadurch waren sie uneben und nicht so glatt, wie sie hätten sein sollen. Diener hatten das Geröll weggeräumt. Dennoch waren Zeichen der Katastrophe immer noch sichtbar, wenn man wusste, wonach man schauen musste.
Ich ging am Rand von einem der Balkone in die Hocke, umklammerte mit einer Hand das dünne Geländer und berührte den rauen Tagstein des Bodens. In dem Stein hallten immer noch Echos wider – keine Geräuschechos, denn die waren schon lange verhallt. Nein, es waren Echos eines Ereignisses. Ich schloss meine Augen und sah, was der Stein miterlebt hatte.
Die Nirgendwotreppe. An ihrem Fuße hielten drei Kinder sich an den Händen. Ich staunte, wie klein Shahar damals gewesen war, weil ich mich bereits an ihre ältere Statur gewöhnt hatte. Ich beobachtete, wie die Gesichter der Sterblichen sich von Lächeln zu Furcht wandelten, spürte, wie der Wind sich erhob, sah, wie
ihre Haare und ihre Kleidung gepeitscht wurden, als ob sie in einem Tornado standen. Ihre Füße verließen den Boden, und sie schrien; dann kippten sie
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