Rivalin der Götter erbin3
»Ja. Das habe ich dem alten Lord T’vril zu verdanken. Als Viertelblut kann ich mich in fünf Jahren zur Ruhe setzen und werde genug Geld haben, um meine ganze Familie für den Rest meines Lebens zu versorgen. Ich würde sagen, dafür kann man schon einmal mit Irrsinn herumspielen, nicht wahr?«
Ich runzelte die Stirn und versuchte, zu verstehen. »Sie sind deine Familie«, sagte ich. »Die, die du im Süden zurückgelassen hast. Die Arameri sind nur Arbeitgeber für dich?«
Ihre Hände hielten inne. »Nun ja. Ich bin jetzt seit fünfzehn Jahren hier. Inzwischen ist es mein Zuhause geworden. Einige Aspekte des Lebens in Elysium sind nicht so schlimm, Lord Si’eh. Ich nehme an, Ihr wisst das. Und … nun, es gibt auch hier Menschen, die ich liebe.«
Dann war es mir klar. Sie arbeitete schweigend weiter, goss warmes Wasser über mir aus und schäumte mich erneut ein. Als sie sich vorbeugte, um den Flakon mit dem Shampoo erneut aufzunehmen, erhaschte ich einen Hauch ihres Duftes: Tagstein, Papier und Geduld – die Gerüche leistungsstarker Bürokratie. Doch da war noch etwas. Ein vielschichtiger Geruch, vertraut, bei dem jedes Element das nächste unterstützte und bereicherte. Träume. Pragmatismus. Diskretion. Liebe.
Remath.
Es war meine Natur, die Schlüssel zur Seele eines Sterblichen zu benutzen, wenn sie mir in die Hände fielen. Wäre ich immer noch ich selbst gewesen, egal, ob als das Kind oder die Katze, hätte ich irgendeinen Weg gefunden, Morad mit meinem Wissen zu quälen. Vielleicht hätte ich sogar ein Lied daraus gemacht und es überall gesungen, bis sogar ihre Freunde die Melodie summten. Der Refrain hätte gelautet Na siehst du, du dumme Kuh, warum verlierst dein Herz auch du?
Doch obwohl ich immer das Kind bleiben würde und das Kind der Tyrann war, brachte ich es nicht übers Herz, ihr das anzutun. Ich nahm an, dass ich weich wurde – oder erwachsen. Also schwieg ich.
Bald darauf war Morad mit meinen Haaren fertig. Sie gab mir einen eingeseiften Schwamm und zog sich zurück. Ofenbar war sie nicht gewillt, auch den Rest meines Körpers zu waschen. Sie hatte meine Haare in ein feuchtes Handtuch gewickelt, das sich wie ein Bienenstock auf meinem Kopf auftürmte. Als ich fertig war, stand ich auf, erhaschte einen Blick auf mich im Spiegel und musste deswegen kichern. Dann glitt mein Blick abwärts. Ich sah den Rest von mir und verfiel in Schweigen.
Das war derselbe Körper, den ich zahllose Male für mich geformt hatte; manchmal absichtlich, manchmal als hilfose Reaktion auf Momente der Schwäche. »Für mein Alter« war ich klein. Ich würde noch zwei oder drei Zoll wachsen, aber in den Augen der Amn niemals groß werden.
Ich war dünner, als ich mich gemeinhin darstellte, was vielleicht daran lag, dass ich jahrelang nichts gegessen hatte, während ich im Inneren Nahadoths zum Sterblichen wurde. Ich hatte lange Extremitäten. Unter meiner braunen Haut stachen die Knochen an allen Ecken und Enden hervor wie Schandfecken. Die Muskeln, die sie umspannten, waren geschwächt, zurückgebildet und nicht sehr stark.
Ich beugte mich näher zum Spiegel und betrachtete kritisch meine Gesichtszüge. Sie waren auch nicht sonderlich attraktiv, aber ich wusste, das würde sich noch bessern. Im Moment waren sie viel zu unproportioniert. Die Augen sahen viel zu müde aus. Shahar war viel hübscher. Und dennoch hatte sie mich geküsst, oder etwa nicht? Ich fuhr mit meinem Finger über die Umrisse meiner Lippen und erinnerte mich daran, wie sich ihr Mund angefühlt hatte. Was hatte sie wohl von meinem Mund auf ihrem gedacht?
Morad räusperte sich.
Dachte Shahar wohl an …?
»Das Wasser wird kalt«, sagte Morad leise. Ich blinzelte, errötete und war plötzlich froh, dass ich mich nicht über sie lustig gemacht hatte. Ich stieg in die Badewanne. Morad verließ das Badezimmer, um mit dem Schneider zu sprechen, der gerade eingetrofen war und sich bemerkbar gemacht hatte.
Als ich später in einem fauschigen Bademantel auftauchte – ich sah lächerlich aus –, nahm der Schneider meine Maße. Er murmelte zu sich selbst, dass ich lockere Kleidung benötigte, um meine dürre Figur zu verstecken. Dann kamen die Maniküre, der Schuhmacher und ein oder zwei andere, die Morad auch irgendwie herbeigerufen hatte. Ich hatte allerdings nicht gesehen, dass sie Magie benutzte. Als ich endlich fertig war, war ich erschöpft, was Morad zum Glück bemerkte. Sie entließ alle Handwerker, wandte sich um und
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