Rivalin der Götter erbin3
irgendein ersonnenes Klischee bedienen musst, dir ständig ins Fäustchen zu lachen und zusammenzurechnen, wem du was heimzahlen musst. Entscheide du, was deine Natur aus dir machen soll. Lass dich darauf ein. Finde Stärke darin. Oder bekämpfe dich selbst und bleib für alle Zeiten unvollkommen.«
Mein Gegenüber schwieg. Vielleicht verdaute er meinen Rat. Das war gut, denn es war ofensichtlich, dass ich ihm einen schlechten Dienst erwiesen hatte, zusätzlich zu dem, von dem er glaubte, ich hätte es ihm angetan. Ich erinnerte mich nicht an ihn. Das bedeutete, ich hatte mir nicht die Mühe gemacht, ihn nach seiner Geburt zu finden und ihn anzuleiten. Diese Leitung hätte
er gebraucht, denn es war schmerzlich ofensichtlich, dass ihm das, was das Schicksal, Enefa oder der Mahlstrom ihm zugedacht hatten, nicht gefiel. Das konnte ich ihm nicht einmal übelnehmen. Ich hätte auch nicht der Gott der Rache sein wollen. Doch er war es, und er musste einen Weg finden, damit zu leben.
Im Spiegel sah ich, wie der Mann hinter mir einen Schritt auf mich zumachte und eine Hand hob. Ich wappnete mich für einen Kampf – rein aus Prinzip, denn ich wusste, es gab nichts, was ich tun konnte. Es war klar, dass seine Macht dem Wenigen, das mir von meiner göttlichen Magie geblieben war, überlegen war. Anderenfalls hätte ich seinen Zwang brechen und mich umdrehen können.
Maßlos entsetzt spürte ich, wie seine Hand mein Haar berührte. Dort verharrte sie für einen Moment, als ob sie die Textur in sich aufnehmen wollte. Dann strichen Finger über meinen Nacken, und ich schrak zusammen. War das eine Art Drohung? Doch er unternahm keinen Versuch, mich zu verletzen. Seine Finger fuhren über die Wölbungen des Rückgrats in meinem Nacken und hielten erst an, als sie auf meine Kleidung trafen. Dann zog sich seine Hand zurück. Ich hatte das Gefühl, dass dies nur widerwillig geschah.
»Danke«, sagte er schließlich. »Das war etwas, das ich hören musste.«
»Tut mir leid, dass ich es nicht früher gesagt habe.« Ich zögerte. »Also wirst du mich jetzt töten?«
»Bald.«
»Ah. Gute Rache will Weile haben?«
»Ja.« Die Kälte war in seine Stimme zurückgekehrt. Diesmal erkannte ich, was sie zu bedeuten hatte. Nicht Zorn, sondern Entschlossenheit.
Ich seufzte. »Tut mir leid, das zu hören. Ich glaube, ich hätte dich gemocht.«
»Ja. Ich dich auch.«
Wenigstens etwas. »Nun, zögere nicht zu lang. Ich habe nur noch ein paar Jahrzehnte übrig.«
Ich dachte, dass er lächelte, und verbuchte das als Sieg. »Ich habe bereits damit begonnen.«
»Schön für dich.« Ich hofte, dass er nicht glaubte, ich verspottete ihn. Ich fühlte mich immer gut, wenn ich sah, dass die jüngeren ihre Sache gut machten, selbst wenn es bedeutete, dass sie mich zwangsläufig bedrohten. So war nun einmal der Lauf der Dinge. Kinder mussten erwachsen werden. Sie wurden nicht immer zu dem, was andere gerne hätten. »Kannst du mir dennoch einen Gefallen tun?«
Er sagte nichts, um seine neu gewonnene Entschlossenheit nicht zu verlieren. Das war schon in Ordnung. Ich konnte sein Feind sein, wenn es nötig war. Ich sah nur nicht die Notwendigkeit, mich deswegen wie ein Esel aufzuführen.
»Ich gehöre hier nicht mehr hin.« Ich zeigte in die Runde auf die Spiegelebene, die Paläste, den Himmel. »Noch nicht einmal in diesen abgeschwächten Traum der Realität. Weck mich auf, machst du das?«
»Von mir aus.«
Und plötzlich durchstieß mich eine Hand von hinten. Ich schrie überrascht und schmerzerfüllt auf, sah hinunter und erblickte mein eigenes, sterbliches Herz umklammert von einer Hand mit scharfen Fingernägeln …
Ich erwachte durch meinen Schrei, der von der gewölbten Decke widerhallte.
Von der leuchtenden gewölbten Decke, denn es war Nacht. Über mir stand Shahar. Eine ihrer Hände lag auf meiner Brust. Sie sah besorgt aus. Ich war immer noch schläfrig und desorientiert. Eine schnelle Überprüfung meiner Brust ergab, dass mein Herz an Ort und Stelle war. Unwillkürlich schaute ich auf Shahars Brust, weil ich in meinem benebelten Zustand dachte, dass der Feind
aus meinem Traum versucht haben könnte, auch sie zu verletzen. Ihr Kleid hing in zerschnittenen Streifen bis zu ihrer Hüfte hinab und war halb ausgezogen. Mit ihrem freien Arm hielt sie ein Nachthemd lose vor ihre Brüste. Sie musste es ergrifen haben, um sich zu bedecken, als sie mein Zimmer betrat. Das verdeckte aber keinesfalls ihre anderen wunderschönen
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