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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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glaube ich. Ein Itakerweib.«
    O’Kane runzelte die Stirn. Da stimmte etwas nicht, und er spürte es bis tief in die Gedärme hinein, wo all diese Spaghetti und Ravioli und Lasagne letztendlich landen würden. Das konnte nicht sein. Es gab Tausende Witwen im ganzen Land, Kriegerwitwen, alte Damen in Schwarz, die über die Gehsteige watschelten, Frauen, deren Männer auf See, bei Autounfällen und Zugunglücken, an Herzversagen und Krebs gestorben waren, die mußten sich alle ihren Unterhalt verdienen, auch wenn sie alt und gebrechlich waren. Dennoch stand er abrupt auf und sah sich etwas benommen um. »Würden Sie mich bitte entschuldigen, Mr. McCormick?« bat er. »Ich muß noch mal kurz hinunter – ich hab was vergessen.«
    Und dann war er auf der Treppe, das süße Aroma von Marinara-Sauce und ofenfrischem Brot wurde stärker und stärker, als er nach unten ging, den Dienstbotentrakt betrat und die Schwingtür in die Küche aufstieß. Überall stieg Dampf auf, wurde vom fächelnden Luftzug der Tür in Fetzen und Schleier zerteilt, alle Brenner des Herdes waren voll aufgedreht, in den großen gußeisernen Töpfen zischte und brodelte heiße Flüssigkeit, und da stand eine Gestalt, eine vertraute Gestalt, die er so gut kannte wie keine andere, etwas fülliger vielleicht, ein wenig älter, aber sie war es, unleugbar: Giovannella .
    »Hallo, Eddie«, sagte sie und sah ihn mit kalter, sachlicher Miene an, so gleichgültig wie der Wind, »lange nicht gesehen.«

2
    La lune de miel
    Am Tag nach ihrer Hochzeit reisten Stanley und Katherine zusammen mit ihren Müttern und Dienstboten und dreihundert Kilo Gepäck nach Paris, und die Flitterwochen begannen so richtig. Unglücklicherweise hatte Stanley offenbar etliche Probleme, seine Sachen zusammenzustellen und den idealen Platz für Socken, Taschentücher und Unterwäsche in seinem Schrankkoffer zu finden, so daß sie ihren Zug verpaßten und das Hotel erst spät erreichten. Das war enttäuschend für Katherine, die sich auf einen schönen Abend in der Stadt gefreut hatte, nicht nur um ihretwillen, sondern auch wegen Stanley – sie hoffte, der Tapetenwechsel würde ihn etwas ablenken, damit er nicht so nervös wäre, wenn sie endlich, unvermeidlich, am gloriosen Höhepunkt dieses Abends, gemeinsam miteinander im Bett lägen. Aber es sollte nicht sein.
    Alles war gepackt und abmarschbereit, die Dienstboten wuselten umher, die Taschen waren verstaut, die Kutsche wartete bereits auf der Einfahrt, nur Stanley war nirgends zu finden. Es regnete immer noch, die offene feuchte Erde der Blumenbeete verströmte den dumpfen Geruch von rieselnden, zerrinnenden Jahrhunderten. Regenwürmer – Lumbricus terrestris – übersäten den Gehweg, und wie viele dieser unschuldigen blinden Kreaturen hatte Katherine wohl unter Anleitung des einen oder anderen bärtigen Professors seziert? Sie war schon zweimal zur Kutsche hinausgegangen, um nach dem Rechten zu sehen, immer darauf achtend, nicht auf die bleichen Leichname der Würmer zu treten, und jetzt stand sie mit ihrer Mutter im Vestibül, schob sich in einem wachsenden Sturm der Aufregung den Hut zurecht, sie wollte endlich unterwegs sein, das Abenteuer in Angriff nehmen, die steinernen Türme und den friedlichen See hinter sich lassen, ihr neues Leben als Mrs. Stanley McCormick beginnen. Nettie hatte es sich längst in der Kutsche bequem gemacht, und Jean-Claude war mit einem breiten schwarzen Regenschirm an der Tür postiert, um die Damen hinauszubegleiten. »Was kann denn Stanley nur aufhalten?« überlegte ihre Mutter laut und reckte den Hals, um auf die Uhr in der Halle hinter ihnen zu sehen.
    Katherine strich ihre Handschuhe glatt, spähte durch die Fenster auf den Regen hinaus, der in die Pflastersteine rann und unerbittlich auf das schwarze Segeltuchdach der Kutsche niederprasselte, und legte dann Josephine eine Hand auf den Arm. »Geh du schon voraus, Mutter«, sagte sie. »Ich werde oben nach ihm sehen – in einer Minute kommen wir nach.«
    Sie traf Stanley in seinem Zimmer an, wo er zwischen einem offenen Schrankkoffer und zwei ausgeweideten normalen Koffern auf und ab schritt. Er trug irgendein Bündel im Arm, offenbar ein Kleidungsstück – eine lange Unterhose –, und auf dem Bett waren Notizbücher, Federhalter, Skizzenblocks, Socken, Krawatten und Rasierzeug zu säuberlichen Häufchen gestapelt, dazu der Roman, den er sich als Zuglektüre herausgelegt hatte, sein Tennisschläger und die Badesachen. »Stanley,

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