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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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der im Gesicht des Dr. Freud sproß. Wie konnte er ohne Bart überhaupt die Psychiatrie praktizieren? Es war undenkbar. »Meine Frau hatte nie viel Freude damit«, erklärte Hamilton, der vor Anstrengung schwer atmete, »und außerdem wurde er mit den Hominiden allmählich zum Risiko – Mary hatte Angst, er könnte Flöhe anlocken. Oder Schlimmeres. Aber genug von meinem Bart – ich möchte Ihnen etwas zeigen, Edward, etwas wirklich Erstaunliches, meinen bisher besten Fund. Kommen Sie, kommen Sie schon – worauf warten Sie denn?«
    Und dann eilten sie die Treppe hinunter, durch die Küche und zur Hintertür hinaus, auf dem Weg zum Hominidenlabor, und der Doktor war so aufgewühlt, daß er am liebsten gerannt wäre. O’Kane hörte das Gekreische und Gekeife der Affen, lange bevor sie den Pfad erreichten, der sich in das Eichenwäldchen schlängelte, und bald roch er sie auch – ein scharfes, beißendes, von Schmeißfliegen wimmelndes Gemisch aus Hominidenschweiß und Hominidenkotze und der betäubende Gestank nach mit Exkrementen verklebtem Affenfell. Und er nannte sie jetzt ganz einfach Affen, jedenfalls solange Hamilton nicht zuhörte, denn nichts anderes waren sie: neun Rhesusäffchen und ein Paar olivfarbener Paviane. Primaten, so hatte sich gezeigt, waren nicht so leicht aufzutreiben. Der Doktor hatte bei jedem Händler mit exotischen Tieren, jedem Zirkus und jedem Zoo entlang der gesamten Küste nach ein paar Schimpansen gesucht, aber es waren einfach keine zu haben.
    Dafür hatte er kleinere Affen bekommen, und es sollten noch mehr werden. Nachdem die ersten beiden rattenartigen Viecher gestorben waren – das Blut war ihnen aus Ohren und Anus geronnen –, hatte der Doktor Glück gehabt und neun neue Affen auf einen Schlag von einem der Millionäre aus der Gegend kaufen können, einem Exzentriker, der auf seinem Grundstück eine ganze Menagerie frei herumlaufen ließ: Strauße, Känguruhs, Boa constrictors, Impalas und Buschböcke, und die Paviane hatte er in dem heruntergekommenen Zoo von Muchas Vacas in Mexiko aufgetrieben, wo ein paar Pesos einen noch weit brachten. O’Kane war nur froh, daß er sich um die Bestien nicht zu kümmern brauchte – sie waren noch keine zwei Wochen hier gewesen, da hatte Hamilton schon davon angefangen, aber schließlich hatte er dann zwei magere braune Männlein angeheuert, einen Itaker und einen Mexikaner, die ihm die Käfige gebaut hatten und jetzt jeden Morgen die stinkenden Kackehaufen mit dem Wasserschlauch wegräumten.
    Affen übten auf O’Kane überhaupt keinen Reiz aus – sie erinnerten ihn viel zu sehr an die Sabberer und Scheißeschmierer, mit denen er die letzten sieben Jahre verheiratet gewesen war, und diese Ära wollte er gern für immer hinter sich lassen. Er war jetzt Oberpfleger von Stanley McCormick, und nicht mehr lange, dann würde er Orangenpflanzer oder Erdöl-Tycoon sein, der mit Panamahut durch die Empfangshalle des Potter Hotel schlenderte, während sein eigenes Automobil vor der Tür wartete. Natürlich mußte er, solange er unter Hamiltons Fuchtel stand, zumindest Interesse an den Hominiden heucheln, aber er sah wirklich keinerlei Sinn darin – auch eine ganze Wagenladung Affen würde Mr. McCormick nicht von seinem Leiden kurieren. Und soweit er es beurteilen konnte, hatte Katherine auch nicht viel für diese Hominiden übrig und nahm sie nur widerwillig hin, wohl in der Hoffnung, Hamiltons Experimente könnten zur Heilung ihres Mannes beitragen, und so verbrachte sie den Großteil ihrer Besuche unter den Eichen und hörte Hamilton zu, der über die hominide Blasenentleerung, Autoerotik und Kopulationsfrequenz erzählte. Der Doktor hatte den Affen Namen wie Maud, Gertie und Jocko gegeben, und so, wie er von ihnen sprach, konnte man meinen, er hätte sie alle persönlich gezeugt. (»Jocko hat gestern sechsmal mit Bridget kopuliert, und dann noch zweimal mit Gertie«, sagte er zum Beispiel, oder: »Sobald ich Jimmy zu Maud in den Käfig lasse, nimmt sie die sexuelle Demutshaltung ein und bietet ihre Genitalien dar.«) Nach O’Kanes Ansicht war die ganze Geschichte etwas, na ja, übertrieben. Um nicht zu sagen: schweinisch.
    Und jetzt stand Hamilton zwischen dem grinsenden Spaghettifresser und dem grinsenden Tortillafresser und machte Anstalten, eine schmutzige karierte Tischdecke von einer Art Käfig wegzuziehen, der hinter ihm stand. Er strahlte wie ein Zauberer. Die Affen kreischten und verströmten Gestank. Mildes Sonnenlicht flutete durch

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