Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
herausgeplatzt.
Die Musiker ließen ihre Instrumente sinken und sahen sich betroffen an. Der Sänger war plötzlich sprachlos. Vor Schreck war ihm der Umhang von den Schultern gefallen. Doch unter den Zuschauern machte sich Unmut breit.
„Darf man in unserer Stadt nicht mehr die Wahrheit sagen?“ schrie einer aus der Menge.
„Ja, die Reichen feiern die Feste wie sie fallen, aber uns verderben sie die Freude, wann immer sie Lust dazu haben!“ keifte eine alte Frau und streckte Elias die Zunge heraus.
„Du kennst wohl auch ihr Himmelreich, Senator!“ rief plötzlich eine freche weibliche Stimme, worauf einige sich nach ihr umdrehten und dann verlegen lachten, weil die Dame ein gelbes Tuch am Ausschnitt trug. Patrice jedoch fühlte sich erneut herausgefordert. Er stieß einen heiseren Schrei aus, kämpfte sich mit den Ellbogen durch die Menge, um der Hure persönlich Mores zu lehren. Als er vor ihr stand und ihr süßliches Parfüm roch, das gewisse Erinnerungen in ihm weckte, ergriff er sie an den Armen und zerrte sie wütend hin und her. Dabei schrie er:
„Halt zukünftig dein Schandmaul, Sandrine, sonst lasse ich dir den Rücken peitschen! Wir sind nicht hier, um unsere Sünden aufzurechnen.“
Inzwischen war aber auch Leben in die anderen Konsuln gekommen, die bis zu diesem Zeitpunkt eher hilflos im Publikum gestanden hatten. Um von Patrice und der Hure abzulenken, forderte vor allem Martin Picardé, der sich zu seinen engen Freunden zählte, ebenfalls lautstark den Abzug der Musiker. Doch zu allem Unheil wurde nun eine andere Hure auf Rixende aufmerksam. Das Weib hatte die Tuchhändlerin erkannt und zeigte nun mit den Fingern auf sie. Dabei geiferte es mit lauter Stimme: „Seht mal her, Leute! Da steht es ja, das saubere, reiche Mönchspförtlein! Wo steckt denn dein frommer Stecher?“
Patrice ließ von der Hure Sandrine ab, kämpfte sich mit wutfunkelnden Augen zu Rixende durch und zischte sie an:
„Genug der Peinlichkeiten! Verlasst endlich das Fest und begebt Euch in Eure vier Wände!“
Rixende war speiübel. Sie zitterte am ganzen Körper und hatte größte Angst, vor aller Augen die Fassung zu verlieren. Mit zusammengepressten Lippen, aber dennoch stolz erhobenem Haupt warf sie dem Spielmann ein paar Münzen vor die Füße und drehte sich zum Gehen um. Die Leute traten zurück. Aus Angst vor Patrice wagte niemand, weiter ausfällig zu werden. Trotzig und ohne nach links oder rechts zu schauen, schritt Rixende in ihrem herrlichen honigfarbenen Gewand aus bester Seide durch die schmale Gasse von Menschen, die sich im Nu gebildet hatte, um den unrühmlichen Abgang der von allen beneideten reichen Frau zu beobachten. Rixendes Entschluss stand fest. Sie würde gehen, ganz gewiss, nicht nur wie jetzt in ihre eigenen vier Wände. Sobald sie Genugtuung erlangt hatte für Castel Fabri und Aimeric, würde sie Carcassonne für immer verlassen.
Doch zuvor hatte sie noch etwas zu erledigen.
Patrices Frau Raymonde, die wie alle anderen die beschämenden Vorgänge mitbekommen hatte, schüttelte über ihren Mann den Kopf. Mondine, wie man sie rief, lief entschlossen Rixende nach. Sie redete eindringlich auf sie ein, fasste sie am Arm und führte sie zur Überraschung aller an der noch immer gaffenden Menge vorbei, zu ihrem Sitzplatz unter den Arkaden zurück.
Patrice, der seine Frau beobachtet hatte, brummte verärgert etwas über ihre Eigenmächtigkeit und die der Frauen ganz allgemein, und Picardé pflichtete ihm heftig nickend bei.
„Mein lieber Elias“, sagte Mondine resolut, „du trinkst jetzt auf der Stelle einen großen Schluck Wein und beruhigst dich wieder. Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Du hast in deinem Leben viel zu viel auf das Gerede der Leute gegeben. Rixende Fabri ist eine freie Frau, und sie ist die Witwe eines Konsuls, vergiss das bitte nicht. Niemand kann ihr Vorschriften ihres Umganges wegen machen. Einfach weglaufen wäre gerade verkehrt gewesen! Sie muss den Leuten offen ins Gesicht sehen, dann wird man sie bald wieder mit Respekt behandeln! Das waren übrigens genau deine Worte, als man dich vor Jahren mit Spott überzogen hat, damals in der Sache mit dieser Sandrine, die dich soeben blamiert hat. Du weißt, was ich meine, oder hast du es etwa vergessen?“
Elias Patrices Miene zeigte deutlich, dass er keine Lust hatte, zu seiner längst abgebrochenen Beziehung zu einer Hure Stellung zu nehmen. Er setzte sich wortlos, doch mit grimmigem Gesicht neben
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