Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
seine Frau und tat so, als gäbe es im Augenblick nichts Wichtigeres, als den Aufbruch der frechen Spielleute zu beobachten.
Die rundliche Gattin des Senators, der man schon immer nachgesagt hatte, dass sie die Hosen anhätte im Hause Patrice, gluckste ein wenig in sich hinein, beugte sich dann mit ihren glitzernden rehbraunen Augen zu Rixende hinüber, die noch immer zitterte, und flüsterte ihr ins Ohr: „Ohne die Liebe verliert das Leben seine Seele. Er weiß es, ich weiß es, und Ihr wisst es auch. Lasst Euch also nicht beirren, zeigt den Leuten die Zähne!“
Inzwischen hatten sich vor dem Château comtal die wackeren Recken für den Wettbewerb um das Scharlachtuch aufgestellt. Das Rennen und die nachfolgenden Tänze am Abend würden der Höhepunkt des Festes sein, und Rixende machte sich einige Zeit später, Arm in Arm mit Patrices Frau auf den Weg zu den Lices, um dort – auf der Ehrentribüne - einen guten Platz zu ergattern.
Der Herold, eskortiert von zwei Soldaten des Seneschalls, verlas gerade mit lauter Stimme die Turnierregeln. Nach und nach zogen die reichgeschmückten und mit glänzenden Rüstungen versehenen Ritter hoch zu Ross auf ihren Streitsätteln ein. Vor den Schranken ordneten sie sich in einer doppelten Reihe, bis sie einander gegenüberstanden. Die Zuschauer applaudierten. Einige Pferde stampften ungeduldig mit den Hufen.
„Laissez aller“, rief endlich der Herold, und die Trompeten erschallten. Aufgeregt hielten die Leute den Atem an. Die Hölzer senkten sich. Die zuvörderst stehenden Ritter drückten die Sporen in die Flanken ihrer Rösser, und in gestrecktem Galopp ritten sie los.
Rixende beobachtete gespannt das Geschehen, als plötzlich Benete vor der Tribüne auftauchte. „Herrin, Herrin“, die Köchin winkte aufgeregt, und jedes Pfund Fett schwabbelte um ihre Mitte. Empört schüttelten die Umstehenden den Kopf über die Unruhestifterin. Doch Benete ließ sich nicht aufhalten.
„Gut, dass ich Euch gefunden habe!“ schrie sie laut und schob sich erleichtert die Haube aus der schweißbedeckten Stirn. „Kommt schnell mit, ich muss Euch etwas sagen! Es ist von größter Wichtigkeit!“
Nicht wenig verwundert, entschuldigte sich Rixende bei Raymonde und den anderen und folgte ihrer Bediensteten, die sie zielstrebig aus der Menge heraus in eine der engen, menschenleeren Gassen zog.
Das donnernde Scheppern, das immer dann ertönte, wenn die Ritter in der Mitte der Schranken aufeinandertrafen, und der darauffolgende Aufschrei der Zuschauer untermalte das Entsetzliche, das die Köchin zu berichten hatte.
39
Den tiefen Schlag im Haupt mir brach mit Krachen
Ein Donnerschlag, dass ich zusammenfuhr …
Dante, Die Göttliche Komödie
„Hast du dich auch nicht verhört?“
Während Rixende Benete schüttelte, dachte sie, dass sie offenbar erst am Rande des Höllenschlundes angelangt und der Auftritt des Spielmanns nicht das Schlimmste gewesen war, was ihr heute widerfahren sollte. Voll wilder Auflehnung gegen das Schicksal begann sie nachzurechnen. Wie lange war es her, dass Fulco bei ihr gewesen war? Zwei Wochen? Beinahe drei! Aber er schien doch völlig gesund!
„Sie sterben wie die Fliegen, sagen die Leute“, berichtete Benete nun zum zweiten Mal und wischte sich unablässig mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn. „Und auch der Vater Prior soll krank geworden sein. Der Prior des Dominikanerordens von Avignon!“ wiederholte sie und zog dabei bedeutungsvoll die kräftigen Brauen hoch.
„Heilige Jungfrau steh uns bei“, seufzte Rixende, nur um überhaupt etwas zu sagen. Sie war schneeweiß wie Linnen. „Was soll ich nur tun?“
„Ihr könnt gar nichts tun, Herrin! Seid froh, dass Ihr keine Begegnung mit dem Mönch hattet. Am Ende hätte er die Krankheit auch noch hierher in unsere Stadt geschleppt!“
Benete hatte sich einen vorwurfsvollen Ton nicht verkneifen können.
Nun wagte es Rixende schon gar nicht mehr, die Köchin in das Geheimnis der Regennacht einzuweihen. Offenbar hatte aber auch Aucassinne seiner Mutter nichts über den geheimnisvollen Besucher erzählt.
Rasch drückte die junge Frau Benete einige Münzen in die Hand, schickte sie zum Festplatz zurück mit dem Rat, sich keine unnötigen Sorgen zu machen. Dann eilte sie nach Hause. Als sie das Rote Haus betrat, herrschte Totenstille. Rixendes Mut sank so schnell wie er gekommen war. Würde diese Stille ihr zukünftiger Begleiter sein, wenn Fulco starb? Was war, wenn das in der Höhle Geschaute
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