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Road of no Return

Road of no Return

Titel: Road of no Return Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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das so?«, fragte Orla.
    »Was?«
    »Warum ist da immer ein Stück oranges Tau? Immer wenn man ans Meer geht, liegt ein Stück oranges Tau herum.«
    »Und ein halber Autoreifen.«
    »Ja, stimmt.«
    Sie kratzte eine Handvoll kleiner Steine zusammen und begann auf die Flasche zu zielen. »Ich will mir gar nicht vorstellen, was sonst noch.«
    Und ich bin darin geschwommen, dachte ich. Um dieses Mädchen zu beeindrucken, bin ich da reingegangen. Schon beim Gedanken daran juckte es mich.
    »Ich bin froh, dass du mich nicht hast ertrinken lassen.«
    Sie sah mich von der Seite fast lächelnd an. »So bin ich halt.«
    Ich legte ihr den Arm um die Schultern und freute mich, dass sie sich an mich schmiegte. Ein leichter Schauer lief ihr über die Haut, von meinen Nervenenden aufgenommen und weitergeleitet. Mir gefiel das kühle Wetter.
    »Wie geht es deiner Schwester?« Orla warf die restlichen Kiesel, die auf die Wasseroberfläche klatschten und versanken.
    »Gut.« Ich wagte kaum zu fragen, falls sie sich über Nacht in kleine Partikel aufgelöst hatte, aber ich brachte hervor: »Und wie geht es deiner Mum?«

    »Irgendwie besser.« Nach einer Pause fügte sie hinzu. »Sie ist bei der Arbeit. Sie arbeitet samstags.«
    »Das weiß ich.«
    »Sie wollte heute eigentlich freinehmen. Weißt du, als Dad mir abgesagt hat, wollte sie eigentlich Zeit mit mir verbringen. Sie sagt, sie hätte Schuldgefühle, aber ich habe ihr erklärt, dass das Quatsch ist. Als ob sie sich wegen irgendetwas schuldig fühlen müsste.«
    Wir betrachteten das milchige Licht, das auf dem Wasser schaukelte.
    »Weißt du, weswegen sie wirklich Schuldgefühle hat? Weil sie nicht bei der Verhandlung war. Ich habe gestern mit ihr darüber gesprochen.«
    Kein Kommentar, kein Kommentar, um Himmels willen. »Wenigstens warst du da und dein Dad.« Und ich und Mum, sechs Stühle weiter eine Reihe hinter ihr. Schon damals konnte ich meinen Blick kaum von Orla wenden.
    »Sie hätte von Anfang an dabei sein sollen«, meinte Orla. »Aber sie brachte es nicht fertig. Sie konnte Kev nicht gegenübertreten. Ich konnte das verstehen, aber es war falsch. Nein, nicht falsch, nur eine schlechte Entscheidung. Wir haben uns gestern darüber gestritten und … und über Allie.«
    »Wirklich?« Ich war mir nicht sicher, ob ich das hören wollte.
    »Ich finde, Mum sollte es ihr nicht so schwer machen. Weißt du, Allie ist in Ordnung. Was mich angeht, wenn sie meinen Bruder braucht, kann sie ihn haben. Wegen dem, was sie getan hat.«
    Was sie getan hat.

    Was hat sie getan? Die letzten Worte geflüstert, die er je hören würde, und ihm gesagt, dass er nicht sterben würde? Ihn im Arm gehalten, als er starb? Ihn angelogen? Das Letzte, was der Junge gehört hatte, war eine Lüge gewesen.
    Eine kleine Notlüge.
    »Nicht das«, sagte Orla, als ob sie meine Gedanken lesen könnte. »Ich meine den Prozess.«
    Was Allie beim Prozess getan hatte. Das war, mit ihren eigenen toten schwarzen Augen Kev in die seinen zu blicken, bis er wegsah, schauderte, sich den Nacken rieb und eine Grimasse zog. Dann hatte sie den Richter angesehen und gesagt: Er hat es mit Absicht getan.

Damals

21
    Kev behauptete, er habe es nicht gewollt. Er hätte Panik gehabt. Es sei ein Unfall gewesen. Er habe sich nur gewehrt.
    Das düstere, pessimistische Stirnrunzeln der Staatsanwältin verriet mir, was sie dachte. Sie glaubte, Kev würde mit Totschlag davonkommen, und sah bereits die Schlagzeilen, die seine mickrige Strafe verkündeten. Sie hatte aufgehört, Augenkontakt mit Orla und deren Vater zu suchen, und ich hatte das Gefühl, das sei ein schlechtes Zeichen.
    Mickey und seine Mutter saßen in der ersten Reihe und Mrs Naughton tupfte sich die Augen und putzte sich gelegentlich die Nase. Sie sah hager und krank aus. Mickey, smart und gepflegt, wirkte besorgt um seine Mutter. Wenn er nicht ihre Hand hielt, hatte er den Arm um ihre Schulter gelegt und drückte sie sehr, sehr sanft, als sei sie aus zerbrechlichem, empfindlichem Kristall. Gelegentlich warf er besorgte Blicke auf seinen kleinen Bruder, ein Bild respektabler Fürsorge. Sie taten ihr verdammt Bestes, um wie eine nette Familie auszusehen, aus der ein guter Junge wie Kev kommen mochte (vielleicht in einem Paralleluniversum!). Und damit hatten sie auch großen Erfolg – so wie ich das sah, wie die Staatsanwältin es sah und offensichtlich auch
die Geschworenen. Dort saß in der zweiten Reihe eine straßenköterblonde Frau mittleren Alters, der jedes

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