ROAD TRIP // Die erfolgloseste Band der Welt geht auf Tour (German Edition)
dunkler. Und wenn ein Song endet, darf es auch ruhig
mal dunkel werden. In dem hellen Scheinwerferlicht habe ich die Augen
der vereinzelten Zuschauer förmlich auf meinem Körper und auf
meinem Instrument spüren können. Zusammen mit der auf der Bühne
langsam wieder einsetzenden Nüchternheit und der angekündigten
Reserviertheit der überschaubaren Menge der im Halbkreis stehenden
Zuschauer erzeugte dies ein immer weiter wachsendes Unbehagen und
Unwohlsein. Ich fing an beim Spielen nachzudenken. Ich will hier nicht
sein. Es fühlt sich nicht gut an. Ich überlegte vor jedem Schritt, den ich
tat, ganz genau, wie ich ihn ausführen könnte ohne bescheuert
auszusehen. Bei jedem Hüpfen und bei jeder Geste kam ich mir
dämlich vor. Warum war das so? Ich sollte doch in meinem Element
sein! Mich auf dem Boden wälzen und Gitarrensoli improvisieren! Alles
um mich rum sollte mir egal sein, ich hätte die Umgebung gar nicht wahr nehmen dürfen. Alles hätte in einem lauten Chaos verschwimmen
sollen. Warum war das nicht passiert?!
„Das mit den EPs war scheiße“, sagt Benni plötzlich.
„Was meinste?!“, fragt Alex.
„Na als du gesagt hast, heute wäre uns alles scheißegal und die Leute
könnten die EP fürn Euro mitnehmen. Da ist keine Sau hingegangen.
Keiner. Das war echt beschissen. Hab ich genau gesehen.“
„Hm.“
„Und als du dann gesagt hast, die Leute können sie auch so
mitnehmen“, Bennis dicker Hintern macht ein platschendes Geräusch
auf dem Beton der Treppe, als er sich neben uns setzt, „da hat sie
immer noch keiner mitgenommen.“
„Doch, ein paar waren da. Glaube ich. Oder? Ich meine ich hätte
mindestens einen Typ gesehen“, sagt Alex.
„Ja stimmt. Einer hat sich eine genommen“, bestätige ich.
„Na siehste. Immerhin einer fand uns ganz geil“, lacht Benni.
„Ist ja auch ok. Ich mein, so richtig weggeblasen haben wir den Laden ja
heute auch nicht wirklich, oder?“, frage ich.
„Geht so“, antwortet Alex. „Ich hab mich irgendwie unwohl gefühlt. Dabei hatte ich am Anfang
echt noch mega einen drin. Bescheuert. Vielleicht fehlt da die Routine“,
sage ich.
„Aber Routine ist doch auch beschissen. Routine klingt ja schon so
langweilig.“
„Hm.“
Neben uns fängt Benni langsam an vor sich hin zu kichern.
„Wasn los?“
Aus dem Kichern wird ein Lachen, das immer lauter wird.
„Alter, was denn?!?“
Benni schüttelt den Kopf und lacht immer weiter. Irgendwann dreht er
sich zu uns um und ich kann sehen, dass ihm vor lauter Lachen
einzelne Tränen über die Wangen laufen.
„Was ist, Benni?!“
„Alter, wir haben unsere EP verschenkt - und keine Sau wollte sie haben!
Wenn das nicht einfach lustig ist! Das ist doch noch nie einem passiert,
oder?!“
Wir schauen ihn an. Er muss schon wieder ein Lachen unterdrücken. Da
höre ich Alex neben mir sagen: „Die Leute nehmen alles geschenkt. Sogar beschissene Kugelschreiber
von der FDP! Wie schlecht sind wir denn, dass niemand sich die Mühe
macht, 2 Meter zu dem beschissenen Merchandise zu gehen und die
Drecks-EP mitzunehmen?!“
Ich muss schmunzeln.
„Hätten die nicht wenigstens die Pappschuber mitnehmen können, um
damit ihren Kamin anzufeuern?!“, murmele ich weiter schmunzelnd vor
mich hin.
„Oder um im Winter die scheiß Scheiben frei zu kratzen?!“
„Die hätten auch einfach ne Platte mitnehmen können um gegen ihre
unerzogenen Kinder was in der Hand zu haben: ‘Macht sofort eure
beschissenen Hausaufgaben oder ihr müsst 2 Stunden lang diesen
Dreck anhören!’“
Jetzt lachen wir alle drei.
„Wenn die unsere EP bei Amazon hätten, würden sie die gratis bei
Mülleimern mitliefern lassen, damit die Leute direkt was zum rein
schmeissen haben“, johlt Benni. Ich lache immer lauter.
„Irgendwann buchen die uns im Knast. Dann müssen wir vor den
Gefängnismauern spielen, damit keiner mehr ausbrechen will.“ „Scheiße, man!“, auch Alex hält sich mittlerweile den Bauch vor lachen.
Ich muss mir Tränen von den Wangen wischen.
„Fuck, man. So schlecht sind wir doch auch wieder nicht, oder?!“, frage
ich.
„Naja. Wir sind halt auch nicht besonders gut, schätze ich“, antwortet
Benni und reicht mir ein Bier.
„Fair enough“, sage ich und wir stoßen an. 24. Toni
„Tut mir echt leid, Jungs. Aber habt ihr ja selbst gesehen. Das waren am
Ende vielleicht 75 zahlende Besucher,
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