Rob - Toedliche Wildnis
Sees für Nachtwachen entschieden hatten, hätte sie sich am liebsten selbst geohrfeigt. Wie konnte sie eine solche Bedrohung vergessen und stattdessen wie ein verliebter Teenager über einen Mann nachdenken, der für sie sowieso unerreichbar war?
Sie blickte auf die Leuchtziffern ihrer Uhr. Fast halb fünf. Sie hatten vereinbart, dass Rob sie um vier Uhr wecken sollte, damit er noch etwas Schlaf bekam. Es war Zeit, dem selbst ernannten Südstaatengentleman die Gleichberechtigung von Mann und Frau zu erklären.
Cat kletterte aus dem Schlafsack und öffnete den Verschluss ihres Zeltes. Ihre Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, sodass sie sofort erkannte, dass der Platz zwischen den Zelten leer war. Sie hatte eigentlich erwartet, Rob dort zu sehen. Suchend blickte sie sich um, dann bemerkte sie in einiger Entfernung zwischen den Bäumen eine Bewegung. Sie griff nach ihrer Taschenlampe und ging möglichst lautlos auf die Stelle zu. Zunächst sah es aus, als ob sie sich getäuscht hätte, dann erkannte sie Robs Gestalt. Er blickte angestrengt in eine Richtung und hatte sie bisher nicht bemerkt. Eine ideale Gelegenheit für eine kleine Lektion in Sachen Aufmerksamkeit. Sie schlich näher, bis sie direkt hinter ihm stand und tippte ihm dann auf die Schulter.
Der Effekt war im wahrsten Sinne des Wortes umwerfend. Er wirbelt herum, und obwohl sie noch versuchte auszuweichen, erwischte er sie an der Taille, und sie landeten auf dem Boden. An seinen Reflexen gab es nichts auszusetzen.
»Guten Morgen, Rob.«
»Sag mal, bist du … Habe ich dir wehgetan? Du kannst dich doch nicht einfach so an mich heranschleichen.«
Sein Mund war nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt, aber sie widerstand der Versuchung und schob ihn von sich. »Kann ich offenbar ja doch. Und nein, der kleine Schubs geht schon in Ordnung, den hatte ich einkalkuliert. Du wolltest mich vor einer halben Stunde wecken. Was war denn hier so interessant, dass du mich nicht bemerkt hast?«
Er half ihr hoch und zuckte mit den Schultern. »Wenn ich dir jetzt was von glühenden Augen zwischen den Bäumen erzähle, hältst du mich vermutlich für verrückt. Glühend ist vielleicht auch übertrieben, aber irgendetwas war hier und hat mich angestarrt.«
Cat hatte Mühe, ein Lachen zu unterdrücken. Wenigstens klang das nicht nach ihren unbekannten Verfolgern. Sie schaltete die Taschenlampe ein und ließ den Strahl über den Boden wandern. Ein Abdruck direkt neben einem Baumstamm war eindeutig. »Du hattest tatsächlich einen Besucher. Oder warte mal …« Cat folgte der kaum sichtbaren Spur, bis sie ganz sicher war. »Nein, es waren zwei. Das ist ja merkwürdig. So weit unten hätte ich sie nicht erwartet. Und sieh mal, wie zielstrebig sie auf den See zugegangen sind.«
»Verrätst du mir auch, wer ›sie‹ sind?«
»Ach so. Hatte ich das noch nicht erwähnt? Berglöwen. Und zwar zwei. Sie müssen sich zurückgezogen haben, als sie dich bemerkt haben.«
»Du meinst, die wollten zum See und wandern deshalb mitten in der Nacht durch den Wald?«
»Kann schon sein. Und denk dran, dass Katzen auch nachts sehr gut sehen können.«
»Das hast du mir ja gerade eindrucksvoll bewiesen, Kätzchen.«
Bevor sie antworten konnte, ertönte in einiger Entfernung ein Brummen, das keinen natürlichen Ursprung hatte, und wurde dann lauter. »Ein Quad, und es kommt näher.«
»Verdammt. Das heißt dann wohl, Licht aus und alles zusammenpacken. Bleibt wenigstens noch Zeit für deinen Kaffee?«
»Bis hierher kommen sie mit dem Ding nicht, dafür stehen die Bäume zu dicht, und soweit ich weiß, kennt niemand diesen See. Er liegt zu versteckt. Aber wenn sie auf dem normalen Weg unterwegs sind, müssten sie an Franks Ranch vorbeigekommen sein, und der wird nicht einfach zusehen, wie ein paar Idioten mit dem Quad durch den Wald fahren. Das ist nämlich aus gutem Grund verboten.«
»Dann sollten wir möglichst schnell nachsehen, ob bei ihm alles in Ordnung ist.«
10
Da das Geräusch des Quads wieder verklungen war, gab es keinen Grund, auf ein schnelles Frühstück zu verzichten. Mittlerweile hatte sich trotz der erst kurzen gemeinsamen Zeit bereits eine gewisse Routine zwischen ihnen eingestellt, und es dauerte nicht lange, den Morgenkaffee zuzubereiten, dazu ein paar Kekse zu essen und gleichzeitig ihre Sachen zusammenzupacken.
Cat betrachtete ihren leeren Kaffeebecher so wehmütig, dass Rob am liebsten den Kocher wieder angezündet hätte. Aber ehe er ihr diesen
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