Robbers: Thriller (German Edition)
sie getroffen hatte. Vielleicht auch mehrere, wer wusste das schon, davon hatten sie nichts gesagt. Aber bloß ins Bein? Mit dem Handballen hieb er aufs Lenkrad. Gott im Himmel.
Eine einzige verdammte Scheiße, das war es. So was passierte eben, wenn dein Kumpel den Schwanz einkniff und abhaute.
Er erreichte den Abzweig, wo die Bäume von der Straße zurückwichen, nahm die Ausfahrt nach links und gelangte auf den Highway 69 Richtung Kountze. Die schmale zweispurige Straße war eine wichtige Nord-Süd-Route gewesen, ehe die großen Highways gebaut wurden.
Die Kiefern drängten jetzt wieder bis an die Straße heran. Die Sonne stand ziemlich hoch und tauchte die Baumkronen in helles Grün. Am Himmel waberten einzelne silbrige Wolken, und Habichte beschrieben ihre spiralförmigen Bogen. Der Wind blies über die Frontscheibe und badete ihn in dem Aroma von Kiefernharz. Die Luft schien dermaßen mit Sauerstoff und Feuchtigkeit angereichert, als hätte er ein tropisches Land betreten.
Eineinhalb Kilometer weiter fuhr er an den Straßenrand. Auf einer Lichtung im Schatten einer Gruppe Eichen stand eine Blockhütte. Über der Veranda hing ein Schild aus Zedernholz mit einer Aufschrift in rustikalen Buchstaben: BÜCHSENMACHER – MASSANFERTIGUNGEN. Ray Bob parkte auf dem leeren Stellplatz neben der Hütte, stieg aus und erleichterte sich hinter einem Baum. Dann hob er das offene Verdeck des Caddy an und zerrte so lange an seinem Rahmen, bis es sich löste und der elektrische Motor protestierend aufheulte. Schließlich befestigte er das Verdeck an der Windschutzscheibe und fuhr zurück auf die Straße. Der Verkehr Richtung Norden war noch schwach, doch innerhalb weniger Minuten war die Gegenfahrbahn in Richtung Beaumont voll mit frühen Pendlern auf dem Weg zur Arbeit. Buchhalter und Lehrer, Krankenschwestern und Verkäufer, Banker, Anwälte, Bibliothekare, alle weiß, in Chryslern und Buicks. Sie quollen aus ihren Mittelklasse-Backsteinhäusern in ländlichen Siedlungen zwischen den Kiefern, sicher versteckt vor den Schwarzen und Mexikanern, die inzwischen das Leben in der Stadt bestimmten. Sie hatten genug Mumm zum Abhauen, aber nicht genug Mumm, um was dagegen zu unternehmen, dachte Ray Bob.
Er fügte sich der Geschwindigkeitsbegrenzung, beobachtete mit einem Auge den entgegenkommenden Verkehr und mit dem anderen Auge den Rückspiegel. Dabei hielt er Ausschau nach Bullen, Highway-Polizisten, die den morgendlichen Berufsverkehr überwachten. Allerdings hatte er sich inzwischen entspannt. Er roch die Wälder, atmete das dichte Grün und drang immer tiefer ins östliche Texas vor, ins Land der endlosen Wälder und Flussbettgehölze, der kleinen Flüsse und Bayous, der hinterwäldlerischen Rednecks und bösartigen Landbewohner. Seine Leute, mit denen er groß geworden war. Nicht dass er vorgehabt hatte, in diese Richtung zu fahren, auch wenn ihm die Umgebung vertraut war. Er hatte nach Houston gewollt. Er war vom Strand über Beaumont hochgekommen, hatte einen Bogen zurück geschlagen, um Galveston auszuweichen, weil er dort schon gewesen war. Nimm nie denselben Weg zurück, sagte einem der gesunde Menschenverstand, denn jemand könnte dir folgen. Die Idee war, in Beaumont einen Laden auszuräumen und dann ab nach Westen Richtung Houston zu düsen. Er wollte diesen Cajun-Verräter aufspüren und aus dem Verkehr ziehen. Wie er es Eddie versprochen hatte. Eine Sache der Ehre, denn darum ging’s bei der Loyalität.
Bis ihm die Scheiße dazwischenpfuschte.
Mist, er hatte gewusst, das irgendwas schieflief. Er hatte es in den Knochen gespürt, irgendwie gewusst, dass das Niggermädchen nicht tot war. Wie’ne Art zweites Gesicht. Er hatte sich für den Freeway Richtung Westen entschieden, dann gemerkt, dass es nicht richtig war, und gleich die erste Abfahrt genommen. Richtung Westen auf dem Interstate musste alles voller Bullen sein, vielleicht gab es sogar eine Straßensperre. Zu riskant. Also war er nördlich in die Wälder abgetaucht. Wo er sich auskannte.
Die ganze Zeit hatte er an den verdammten Feigling Eddie gedacht. Wenn zwei bewaffnete Männer sich einen Laden vorknöpften, passierten solche Sachen einfach nicht. Wofür war ein Kumpel sonst da? Und alles wegen diesem Miststück Della. Er und Eddie waren Gift für die Bullen gewesen, bis sie sich eingemischt hatte.
Eine halbe Stunde später wichen die Bäume erneut zurück. Er durchquerte Kountze, ein unbedeutendes Städtchen mit Sägemühle, ein paar abgewrackten
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