Robbers: Thriller (German Edition)
Hinterwäldler, die sich durch die Zeit bewegten und kaum in Erscheinung traten, wenn sie das nicht für nötig hielten, sich allerdings stets nahmen, was sie brauchten, ohne Rücksicht auf die Folgen. Entweder wusste der Mann etwas oder nicht, entweder sagte er es oder nicht, unabhängig von Rules Interessen.
Nachdem ein paar Minuten verstrichen waren, tippte Rule sich erneut gegen seinen Hut und sagte: »Na schön.« Dann wandte er sich zum Gehen.
Da ergriff der alte Mann das Wort, seine Stimme war durch den auffrischenden Wind kaum zu verstehen. »Fünf Menschen.«
Rule blieb stehen. »Vier Männer und eine Frau. Einen alten Mann und einen jungen Burschen, einen Polizeibeamten sowie einen schwarzen Collegestudenten.«
»Drei Männer«, sagte der Mann, »eine Frau und einen Nigger.«
»Schätze, ich hab keine Ahnung, wie er sie zählt«, erwiderte Rule mit ruhiger Stimme, »ich weiß nur, dass sie tot sind. Und es werden nicht die Letzten sein. Er ist ein böser Junge.«
»Sie werden ihn töten.«
»Nur wenn ich muss.«
Der alte Mann blickte zur Seite, die Landstraße hinunter, dorthin, wo sie kurz vor dem zweispurigen Highway in den dunklen Wald abknickte. Nach einer Weile fing er an zu sprechen, mit einer Stimme sanft wie ein Rehfell. Rule beugte sich vor, um ihn zu verstehen.
»Hab gestern Nacht’ne Bobtail-Katze gejagt. Runter zum Fluss, wo die Grovers wohnen. Hab ihr heut Morgen das Fell abgezogen. Keine Ahnung, wann ich zuletzt eine gesehen hab. Schätze, war die Letzte ihrer Art. Sind wohl ausgestorben. Früher gab’s da auch Bären, sind ebenfalls ausgestorben. Und die Wölfe hat’s auch dahingerafft. Hab da unten’n Licht gesehen. Und’nen Wagen.«
Der Mann verstummte; das Schweigen, das auf seinen kurzen Monolog folgte, schien das Ergebnis einer tiefgreifenden Erschöpfung zu sein, die seine Rede bei ihm ausgelöst hatte, all die Wörter auf einmal, ein reißender Strom überflüssigen Lärms, das war zu viel.
»Wo liegt das Haus der Grovers?«
»Die letzte Straße vorm Highway.«
Mit diesen Worten drehte der Mann sich um und entschwand in den Wald, als wäre er durch einen Schleier getreten, fort, bevor Rule es überhaupt mitbekam. Eine Geistererscheinung, von einem Augenblick auf den anderen verschwunden. Und mit ihm die zwei Hunde; der nahegelegene Rand des Dickichts war jetzt wieder bloß ein wirrer Wall aus grünen und ockerfarbenen Blättern und Ästen. Rule lauschte, ob irgendwo ein Zweig knackte oder das vertrocknete Laub unter seinen Füßen knisterte, aber es war nichts zu hören.
Fort.
Er stieg ins Führerhaus und fuhr zur letzten Schotterpiste vor dem Highway, die hinunter zum Fluss führte. Dort bremste er und überlegte, das Büro des Sheriffs anzurufen, um Wright und die Deputys aufzuscheuchen. Doch er entschied sich dagegen. Wenn ein Geist erscheint und einem den Weg weist, ist das ein gutes Omen. Genug gewartet. Er würde alleine in den Wald fahren.
Und den Rothaarigen zur Strecke bringen.
52
E r hockte in der Hütte und streifte gerade seine Stiefel über, als er ein Geräusch vernahm. Bei dem Donnergrollen, das von Osten herüberzog, wäre es normalerweise nicht zu hören gewesen, doch offensichtlich war der Wagen unten beim Tümpel mit den Rädern in einem Schlammloch stecken geblieben, sodass der Motor kurz aufheulte und wieder verstummte. Mit einem Stiefel am Fuß trat er auf die Veranda und lauschte dem leisen Brummen. Ein Auto, ein Truck. Er konnte zwar nicht ausmachen, in welche Richtung er unterwegs war, doch es gab nur diese eine Fahrspur, also kam er zu ihm.
Er bewegte seinen Kiefer hin und her, bis seine Ohren knackten. Der Luftdruck war gefallen, und er blickte nach oben, hinauf in die schwankenden Baumkronen und in den düsteren, dunkelblauen Himmel. Er wusste, dass es bald anfangen würde zu regen, ein frühsommerlicher Monsun. Mit eingezogenem Kopf ging er in die Hütte zurück, hockte sich auf den Boden und zog den anderen Stiefel über. Als der Welpe herübertapste und winselnd nach seiner Hand leckte, schob er ihn beiseite und langte nach dem Glas Erdnussbutter, schraubte den Deckel auf, tauchte seine Finger hinein und schmierte eine Handvoll der fettigen Masse auf die Holzdielen. Mit heftig wedelndem Schwanz machte sich der Welpe darüber her.
Nachdem er sich die Hände an einem feuchten Handtuch abgeputzt hatte, blieb er zwischen umherflirrenden Staubpartikeln in dem muffigen Raum stehen und überprüfte seine Walther Automatik, um
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