Robbers: Thriller (German Edition)
Schritt, und schließlich hatte sie gutes Geld dafür bezahlt. Dann war sie weitermarschiert. In der einen Hand die Schuhe, in der anderen die Bibel.
Sie trug keine Unterwäsche, was sich gut anfühlte. Beim Gehen schlenkerten die Schuhe vor und zurück wie eine Handtasche und ihre Hüften schwangen nach beiden Seiten, als würde jemand zusehen. Was natürlich niemand tat. Hoffte sie. Lass sie dieses eine Mal nicht hinsehen, betete sie. Gott im Himmel, mach, dass mich keiner sieht. Von Zeit zu Zeit griff sie nach ihrem geschwollenen linken Auge. Es tat weh, wenn sie es berührte.
Die Sterne zogen ihre Bahnen vor einem unendlichen schwarzen Himmel, und der Halbmond senkte sich langsam herab. Sie fühlte sich winzig unter den Sternen und verlassen in der Dunkelheit, die beiderseits der Straße lag. Die Geräusche von Tieren drangen von den unsichtbaren Feldern herüber, aufgeschreckte Vögel, die schrien und ebenso abrupt wieder verstummten, und andere Laute, die sie nicht zuordnen konnte. All diese Dunkelheit. Ein kaltes Grauen überkam sie. Kreaturen, die in der Nacht schrien, hatten ihr schon immer Angst eingejagt.
Die Schleife zum Highway 6 war menschenleer. Ein paarmal hörte sie Autos hinter sich. Dann trat sie einige Schritte zur Seite ins Gras, drehte sich mit dem Rücken zur Straße und stand ganz still, als ob ihre Reglosigkeit sie davor schützen könnte, bemerkt zu werden. Schließlich näherte sich das Heulen des Motors, die Scheinwerfer suchten den Boden ab, und wenn das Heulen ganz nahe war, fiel es plötzlich eine ganze Oktave ab, um dann langsam wieder anzusteigen, wenn das Auto davonraste.
Die ganze Zeit über hielt sie den Atem an.
Dann kehrte sie auf die Straße zurück und ging weiter Richtung Süden. Sie beobachtete die breite Wolkenbank, die den Horizont vor ihr verdunkelte. Ihre Füße schmerzten. Jetzt wünschte sie, sie hätte die Bibel nicht mitgenommen. Das war ein Impuls in letzter Minute gewesen, bevor sie sich überhaupt entschlossen hatte, loszugehen. Dieser Teil – das Gehen – war alles andere als geplant. Sie trat auf einen Stein und fluchte. Dann entschied sie sich, lieber auf den Hyundai zu fluchen als auf den Stein. Dieses billige Stück Dreck parkte noch immer beim Holiday Inn. Wollte einfach nicht anspringen. Ralph hatte gesagt, er hätte es repariert, hatte ihr sogar dreißig Dollar dafür abgeknöpft. Ralph, der in seiner eigenen Garage arbeitete, weil er behauptete, das würde die Betriebskosten senken. Und die Preise niedrig halten. Ralph hatte nicht die geringste Ahnung.
Sie fluchte noch ein Weile auf Ralph, dann wieder auf den Hyundai. Mindestens einmal pro Woche gab er den Geist auf. Mal war es das eine Teil, dann was anderes. Er zerfiel in seine Einzelteile. Ein Haufen japanischer Schrott. Oder koreanischer, ganz egal. Und obendrein hatte sie immer noch Schulden wegen dem Scheißding. Zwei Monate im Rückstand, um genau zu sein. Der Gebrauchtwagenhändler hatte ihr versichert, es wäre ein zuverlässiges Auto. Garantiert hatte er es. Allerdings nicht schriftlich. Ich gebe Ihnen mein Wort, hatte er gesagt, das ist ein Schätzchen, ich hab ihn selber gefahren.
Verlogener Hurensohn.
Alle waren sie darauf aus, eine alleinerziehende Mutter mit knappen Mitteln übers Ohr zu hauen.
Sie verfluchte den Verkäufer, sie verfluchte Ralph und schließlich verfluchte sie erneut ihren Wagen. Alles und jeden außer Mister Traumschiff. An ihn wollte sie nicht einmal denken. Wie er da auf dem Bett lag in Zimmer 1114. Mit einem Messer in der Brust. Mister Top-500 persönlich.
Trotzdem wurde sie ein bisschen feucht, als sie sich erinnerte. An den Teil davor.
Verdammt verdammt verdammt.
Ein scharfer Schrei ertönte auf dem Feld am Straßenrand. Zitternd starrte sie in die endlose Dunkelheit und wurde automatisch schneller. Sie wünschte, sie hätte daran gedacht, das verdammte Messer mitzunehmen. Jedenfalls funktionierte das Ding, so viel war klar. Und wahrscheinlich war es mit ihren Fingerabdrücken übersät. Was andererseits auch schon egal war. Schließlich gab es jede Menge Zeugen. Man hatte sie in der Bar gesehen und im Aufzug auf dem Weg zu seinem Zimmer. Wahrscheinlich hatte sogar jemand gehört, wie sie Ja gesagt hatte. Ja, Mister Traumschiff. Und danke. Danke! Wie ein idiotisches Kind. Scheiße.
Sie stolperte weiter durch die Nacht. Die Szene erinnerte sie stark an diesen alten Film, den sie im Fernsehen gesehen hatte. Auf diesem Supersender, irgendwo eingezwängt
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