Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt
säuberte den Docht der Petroleumlampe und zündete sie an. Anschließend setzte er den Wasserkessel auf das Herdfeuer, um heißes Grogwasser zu bereiten.
Als sie mit allem fertig waren, setzten sie sich um den runden Tisch. Matthias füllte die Groggläser. Auch Robbi bekam ein Glas, obwohl er ja nicht trank. Aber der Glückliche Matthias bestand darauf - zum Anstoßen. Tobbi bekam nur einen Fingerhut voll Rum, sodass sein Grog ein wenig gelb schimmerte. Der Grog vom Glücklichen Matthias war herrlich goldgelb, so goldgelb, wie ein richtiger »Leuchtturmwärter«-Grog aussehen muss.
»Tja, dann Prost!« Matthias hob sein Glas. »Ich stoße auf Robbi, Tobbi und ihr Fliewatüüt an!«
»Prost! Und wir auf den Glücklichen Matthias und seinen gelbschwarz geringelten Leuchtturm«, sagten Robbi und Tobbi.
Hell klangen die Gläser zusammen. Nun steckte der Glückliche Matthias seine lange Meerschaumpfeife an und alsbald zog der Tabaksrauch in blauen Schwaden durch die runde Leuchtturmwärterstube. Die blanke Petroleumlampe warf einen milden, gelben Schein auf den Tisch. Es war richtig gemütlich.
»Nun erzähl uns eine Seegeschichte«, bat Tobbi.
»Die von den Seeräubern oder die von der Riesenkrake?«, fragte Matthias schmunzelnd.
»Am liebsten alle beide. Klick«, sagte Robbi, wobei er gespannt mit der Antenne wackelte.
»Zwei Geschichten sind zu viel an einem Abend«, meinte Matthias. »Sucht euch eine aus.«
Tobbi und Robbi entschieden sich für die Geschichte von der Riesenkrake. Riesenkraken sind Meeresungeheuer und Ungeheuer sind immer interessant.
»Also gut, dann werde ich euch das schlimme Abenteuer mit Annarita erzählen.« Der Glückliche Matthias nahm einen zweiten Schluck Grog und da er ihm gut schmeckte, gleich noch einen dritten. Dann begann er zu erzählen:
»Diese unglaubliche Geschichte ist wahr. So wahr, wie - wie - wie solche Geschichten überhaupt sein können. Ich habe sie höchstpersönlich erlebt. Damals, vor vielen, vielen Jahren, als ich Bootsmann auf der Bark ›Lilofee‹ war.« Matthias zwinkerte mit den wasserblauen Seemannsaugen und fuhr fort: »Sie war eine Riesenkrake und sie hieß ›Annarita‹. Annarita war eigentlich ein viel zu hübscher Name für eine scheußliche Riesenkrake mit acht Fangarmen. Sie lebte in dem riesengroßen Meer, das man den »Stillen Ozean‹ nennt. Dieser Name trügt auch, denn der Stille Ozean ist zeitweise über die Maßen stürmisch. Dann rasen Stürme darüber hin, die man ›Taifune‹ nennt. Sie türmen haushohe Wogen auf und peitschen das Wasser zu Schaum, dass es wie in einer Waschküche dampft und brodelt. Aber ich wollte ja von Annarita berichten ... Sie war eins von diesen gefährlichen Krakenscheusalen, deren Fangarme so lang sind wie Schiffsmasten und auch so dick. Annaritas Fangarme waren sogar noch eine Idee dicker. Sie war so gefräßig wie eine ganze Herde ausgewachsener Elefanten zusammen. Aber das war noch nicht das Schlimmste an ihr: Sie hatte die unschöne Angewohnheit ihre riesenlangen, riesenstarken Riesenkrakenarme um ganze Schiffe zu schlingen. Und wenn sie sich mit ihren bratpfannengroßen Saugnäpfen festgelutscht hatte, brauste sie mit den unglücklichen Schiffen ab in die Tiefe. Das heißt - hm - wenn die Schiffe nicht allzu groß waren ... Potz Kakerlaken und Kannibalen! Wenn das kein starkes Stück ist!« Dem Glücklichen Matthias wurde die Kehle trocken und er nahm einen tiefen Zug aus seinem Grogglas. Als er die weit aufgerissenen Augen seiner beiden Zuhörer sah, fuhr er befriedigt fort:
»Tjä - wie gesagt, Annarita war das Gefährlichste und Scheußlichste, was es damals im ganzen Stillen Ozean gab. Viel gefährlicher noch als Taifune, Wasserhosen, Seeschlangen, Menschenfresser, Seeleoparden und Sägefische zusammengenommen. Und das will schon etwas heißen! Kurz und gut, im Monat August - in welchem Jahr das war, weiß ich nicht mehr genau - schipperten wir mit unserer ›Lilofee‹ zu den ›Paradies-Inseln‹. Dort gab es die schönsten Kokosnüsse weit und breit, und davon sollten wir eine Ladung holen. Und ausgerechnet bei diesen Paradies-Inseln hatte Annarita ihr liebstes Jagdrevier! Zwei Nächte lang hielten alle Mann Ausschau, aber Annarita ließ sich nicht blicken. Wir atmeten auf und meinten schon, Annarita hätte ihr Jagdrevier verlegt. In der dritten Nacht, kurz vor unserem Ziel, ging die Hälfte unserer Leute unter Deck, um sich mal richtig auszuschlafen. Die anderen, unter denen auch ich
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