Robbins, Harold - Träume
Brüsten, so war ich ihr Kind, das sich von der Milch nährte, die sie für mich gemacht hatte; und immer, wenn sie mir gab, nahm sie von mir, denn sie war der ewige Brunnen meines Lebens.
Ich legte mich auf das Kissen zurück. Ihr Kopf ruhte auf meiner Schulter, und sie drehte mir ihr Gesicht zu. »Ich liebe dich«, sagte sie.
Ich setzte zu einer Antwort an.
Rasch legte sie einen Finger auf meine Lippen. »Sag nichts. Nicht jetzt. Die Zeit ist noch nicht gekommen.«
Ich schwieg. Ich wußte, daß es noch vieles gab, das ich an mir selbst erkennen mußte.
»Gib mir einen Gutenachtkuß, Liebster. Und dann laß uns schlafen.«
In der frühen Morgendämmerung wurde ich wach. Mein erster Blick fiel auf Eileen. Sie lag noch in tiefem Schlaf, und ihr Gesicht wirkte weich und sehr verletzlich. Ich wollte sie berühren, sie streicheln; doch statt dessen stand ich auf, zog leise die Fenstervorhänge zu, ging aus dem jetzt verdunkelten Raum ins Wohnzimmer, durchquerte es und betrat die Küche. Dort knipste ich das Licht an und begann, die Kaffeemaschine zu füllen.
»Darum werde ich mich kümmern«, erklang Denises Stimme hinter mir.
Ich drehte mich um.
Nackt stand sie in der Türöffnung. »Wo kommst du denn her?« fragte ich.
»Von dort«, erwiderte sie. Mein Blick folgte ihrem ausgestreckten Finger. Und jetzt sah ich das Leintuch, die Decke und das Kissen auf der Couch. »Ich dachte, du seist weggegangen«, sagte ich.
»Wie könnte ich so etwas tun?« fragte sie und nahm mir den Kaffeekrug aus der Hand. »Ich arbeite ja hier, nicht?« Mit einem Löffel füllte sie Kaffeepulver ein. »Aber ich dachte mir, es sei gut, euch beide eine Weile allein zu lassen.«
»Das ist nett von dir«, sagte ich. »Endgültig fortgegangen bist du also nicht. Aber wann bist du denn wieder zurückgekommen?«
»Gleich nachdem ihr im Wohnzimmer das Licht ausgemacht habt.«
»Dann warst du die ganze Nacht hier?«
»Ja.« Sie lächelte. »Es war schön. Und ich hatte recht, siehst du. Sie hat deine Energiepartikel wieder gesammelt. Viermal bist du gekommen.«
»Ich habe nicht Buch geführt«, sagte ich sarkastisch. »Was hast du gemacht? Durchs Schlüsselloch gelinst?«
»Das brauche ich nicht«, erwiderte sie ernst. »Ich bin auf deine Aura eingestimmt. Und bei jedem Mal bin ich mit dir gekommen, kinetisch.«
»Ach, Scheiße«, sagte ich ärgerlich. »So was wie eine Privatsphäre gibt’s für mich jetzt wohl überhaupt nicht mehr, wie? Hör mal, das wird einfach nichts.«
»Sei nicht so negativ. Wir sind alle gut füreinander. Alles wird sich wunderbar einspielen.« Sie trat näher und berührte mich. »Siehst du? Ich weiß schon, wovon ich rede. Du hast einen Steifen. Das hab ich an deiner Aura gespürt, als du ins Zimmer kamst.«
Ich starrte sie sprachlos an.
»Hättest du gern einen kleinen Fick, während der Kaffee kocht?« fragte sie mit todernstem Gesicht.
Ich lachte laut auf. In ihrer Miene spiegelte sich Verwirrung. Ich beugte mich vor, küßte sie auf die Haare. »Du bist wirklich schön«, sagte ich. »Und ungeheuer verführerisch. Doch im Augenblick - im Augenblick muß ich ganz einfach mal pissen.«
In der dritten Aprilwoche lag Macho an den Zeitungsständen auf. Am drauffolgenden Montag begann eine großangelegte Werbekampagne in Fernsehen, Rundfunk und Presse. Es war so etwas wie eine Aktion »Feuer aus allen Rohren«, die eine ganze Woche laufen sollte; doch es kam anders.
Am Mittwoch waren wir von den Bildschirmen völlig verschwunden, und nur noch ein Drittel der Rundfunksender brachte unsere Spots. Nur noch eine Handvoll Zeitungen akzeptierte unsere Anzeigen. Am Freitag beschlagnahmte die Polizei in einer Reihe von Städten das Magazin an insgesamt dreiundneunzig Verkaufsständen und verhaftete zweiundvierzig Händler. In der rechten Presse lief man Sturm gegen die Tatsache, daß in den Medien überhaupt eine Werbekampagne für ein derartiges Magazin laufen konnte. Daß am Montag und Dienstag die gleichen Zeitungen selbst unsere Anzeigen gebracht hatten, wurde geflissentlich verschwiegen. Am Sonntag wurde mir durch zwei Beamte der Stadtpolizei eine amtliche Vorladung zugestellt: Am kommenden Freitag sollte ich vor Gericht erscheinen, wegen angeblicher öffentlicher Ruhestörung und Erregung öffentlicher Ärgernisse. Eine solche Sache ließen sich weder Rundfunk, Fernsehen noch Presse entgehen: Alle brachten sie entsprechende Meldungen. Am Mittwoch, zwei Tage also, bevor ich vor Gericht erscheinen sollte,
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