Robbins, Harold - Träume
aufs Meer hinausblickte. Unwillkürlich lächelte ich. »Wie heißen Sie?«
»Samantha Jones.«
»Samantha, wären Sie so nett, Mr. Lonergan die Füße zu trocknen und ihm in seine Schuhe zu helfen?«
»Schon gut«, sagte mein Onkel hastig. »Das kann ich auch selbst.«
»Sei nicht albern. Das macht Samantha nichts aus.«
Sie kniete zu seinen Füßen nieder. Starr heftete er seinen Blick auf einen fernen Punkt, während sie seinen rechten Fuß anhob und abzutrocknen begann. Lonergan geriet aus dem Gleichgewicht. »Stützen Sie doch eine Hand auf meine Schulter«, sagte Samantha. »Dann ist es sicher leichter.«
»Nein, nein, schon gut«, beteuerte er. Und verlor ums Haar wieder das Gleichgewicht.
Sie griff nach seinem Arm, um ihn zu stützen - legte seine Hand dann auf ihre Schulter. »Na, ist das so nicht doch besser?«
Lonergan gab keine Antwort, blieb jedoch auf einem Bein stehen, sein Gesicht dem Meer zugewandt.
»Du befindest dich in guten Händen«, sagte ich zu ihm. »Ich werde mal rübergehen, um zu sehen, was dort los ist.«
Bobby schrie noch immer die Modelle an. »Du dämliche Ziege! Du sollst nicht sauer aussehen, sondern scharf! Als ob du’s nicht abwarten könntest!«
Das Mädchen war den Tränen nah. »Aber Bobby, das ist so ein komisches Gefühl. Ich hab’s noch nie gesehen. Nicht so. Ich meine, so rasiert und frisiert, daß alles vorguckt.«
»Oh, verdammt«, brüllte Bobby. »Genau so soll’s doch sein! Was denkst du denn, was wir fotografieren? Deine Augäpfel?« Angewidert wandte er sich ab. »Menschenskind ...« Er sah mich. »Wir werden überhaupt nicht fertig.«
»Mach mal Pause«, sagte ich. »Und komm mit.«
»Pause«, rief er über die Schulter und ging neben mir den Strand entlang. »Was ist denn?«
Ich betrachtete ihn. Sein Gesicht war vor Hitze stark gerötet, von der Stirn tropfte ihm Schweiß. »Wie lange bist du schon hier in der Sonne?«
»Ungefähr zwei Stunden.«
»Wie fühlst du dich?«
»Heiß ist mir, so heiß wie noch nie.«
»Was glaubst du, wie sich die Mädchen fühlen?«
Ein oder zwei Sekunden blickte er mich stumm an. »Aber wir brauchen die Sonne doch.«
»Wenn du sie noch eine Weile in dieser Glut läßt, dann landet ihr alle im Krankenhaus.«
»Ich werde mit der Serie nie fertig werden.«
»Den Rest kannst du jederzeit im Studio erledigen. Wann kommt King Dong?«
»Mit der Maschine heute nachmittag.«
»Das kannst du dann morgen schießen. Das ist etwas, das sich im Studio nicht machen läßt. Ist wegen der Kostüme alles arrangiert?«
»Die bringt er mit.«
»Na, dann ist ja alles in Ordnung.«
Er nickte. »Ja. Morgen früh um sieben geht’s ab zur Klause.«
»Zur Klause?« Ich verstand nicht, was er meinte.
»Die Mission meines Vaters«, erklärte er. »Liegt rund dreißig Kilometer von hier am Rand des Dschungels.«
»Hm, Klause«, sagte ich. »Na ja, paßt vielleicht zu einer Mission. Wen bekehren sie denn da? Die Indios?«
Er lachte. »So eine Mission ist das nicht. Es ist eher so etwas wie eine Schule oder Hochschule. Dort erhalten die Kandidaten für die zweite Ebene Unterricht, damit sie sich als Lehrer qualifizieren können. Klause wird’s genannt, weil man dort keinerlei direkte Kommunikation mit der Außenwelt hat, kein Radio, kein Telefon. Nur die Versorgungslaster erscheinen und verschwinden wieder.«
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich plötzlich. Beunruhigt musterte er mich. »War’s sehr schlimm mit mir, Gareth?«
»Du hattest ganz einfach zuviel Sonne.«
»Tut mir leid. Ich engagiere mich immer so sehr.«
»Ist ja in Ordnung. Vergiß dabei nur nicht, daß Menschen keine Kameras und Modelle keine Ausrüstungsgegenstände sind.«
Er nickte und ging zu seinen Leuten zurück. Gleich darauf hörte ich seine Stimme. »Packt zusammen. Für heute ist Feierabend. Morgen früh um sieben geht’s dann los.«
Während ich in Richtung Bungalow ging, holte mich Lonergan ein. »Das war wirklich nicht nötig«, sagte er.
Ich spielte den Begriffsstutzigen. »Was meinst du?«
»Du weißt schon. War wirklich peinlich, mir von einem nackten Mädchen die Füße trocknen zu lassen. Wenn da nun jemand ein Foto geschossen hätte?«
»Verdammt!« sagte ich in gespielter Verärgerung. »Wußte doch, daß ich was vergessen hatte!«
»Ich möchte nur mal wissen, weshalb ich mich überhaupt mit dir abgebe.«
»Das kann ich dir sagen.« Ich hielt die Bungalowtür für ihn auf. »Wüßtest du sonst jemanden, der es möglich macht,
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