Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
Vom Netzwerk:
Wagen war beladen mit Sauerstoffflasche und Pulsmessgerät, der Ernährungsschlauch steckte in Laras Nase, die Sättigungsanzeige
     tutete, nur noch 64 Prozent. »Geht’s noch?«, fragte Teresa die Schwester. Einmal vor und zurück durften sie noch auf dem Balkon.
     Das war Glück, sagt Teresa, reines Glück.
    Einige Wochen später durfte Lara immerhin auf die Herzstation, Station 68b, an der Tür klebte eine von Kinderhand gemalte
     Tigerente.
    Er merkte, wie ihn Lara als Torwart veränderte. Er beobachtete sich selbst. »Ich ärgere mich immer noch über schlechte Spiele.
     Aber ich habe keine Zeit mehr, die Gedanken wochenlang mit mir herumzuschleppen.« Er fuhr nach einem 3:0 über Bochum direkt
     in die Klinik, er eilte nach einem 0:1 gegen Hertha BSC sofort auf Station 68b, »und die Fragen sind auf einmal dieselben,
     ob Sieg oder Niederlage: Wie sind die Sauerstoffwerte, |274| wie ist der Puls?« Er hatte etwas gelernt, durch die Depression, durch Markser, durch Teneriffa, durch Lara. »Ich weiß jetzt,
     dass Fehler zu einem Torwart dazugehören. Das konnte ich lange nicht akzeptieren.« Nun, da er Fehler tolerierte, machte er
     kaum noch welche.
    Hannover beendete die Vorrunde auf einem verblüffenden siebten Platz, einen Spieltag zuvor waren sie sogar Vierter gewesen.
     Der Trainer hatte eine Mannschaft geschaffen, die ihre gute Laune im Spiel ausdrückte. Ihr Torwart wurde zum Symbol der schönen
     Überraschung. Die Bundesligaprofis wählten Robert Enke vor Oliver Kahn zum besten Torhüter der Vorrunde. Es war eine Auszeichnung
     für seine Verlässlichkeit, wenngleich es wie immer bei solchen Wahlen natürlich auch ein kleines bisschen unsachlich zuging.
     Enke, der keine Schau aus seinen Tugenden machte, gönnten die Kollegen den Erfolg eher als dem zähnefletschenden Kahn.
    Der Bundestrainer meldete sich. Acht Monate, nachdem Robert Enke in der Zweiten Liga auf der Ersatzbank gesessen hatte, lud
     ihn Jürgen Klinsmann zu einer Asienreise der Nationalelf ein. Robert Enke sagte ab. Er hielt mit niemandem Rücksprache, nicht
     einmal mit Teresa, er sagte Klinsmann sofort am Telefon, das gehe leider nicht, er könne nicht zehn Tage weg. Er müsse bei
     seiner Tochter bleiben. »Ich war gerührt, dass er mich nicht fragte«, sagt Teresa. »Dass er mit solcher Überzeugung für Lara
     da war.«
    Robert Enke fühlte sich geliebt und anerkannt. So war es leichter, Liebe zurückzugeben und sich sogar eigene Fehler zu verzeihen.
     
    Doch mit dem grenzenlosen Verständnis war das so eine Sache. Bei Jacques fiel es ihnen immer schwerer, Großzügigkeit zu wahren.
     Das Gefühl, im eigenen Haus nicht zu Hause zu sein, verstärkte sich. Sie hatten noch immer nicht die eigenen Möbel einräumen
     können. Im Vertrag stand, dass Jacques spätestens zum 1. Oktober ausziehen würde. Nun war es Mitte Dezember. Er hatte nicht
     einmal damit begonnen, sich nach einer neuen Unterkunft umzuschauen.
    |275| »Ach, was kommt ihr mir denn mit Verträgen, ich dachte, wir seien Freunde!«, rief der Künstler, als sie ihm schließlich eines
     Abends sagten, dass es wirklich an der Zeit sei auszuziehen. Jacques’ Dichterfreund war abgereist, dafür war seine Tochter
     aus erster Ehe zu Besuch.
    »Aber Jacques, verstehst du nicht, dass wir nicht dauerhaft zusammenwohnen können. Und du hast noch nicht einmal angefangen,
     an einen Auszug zu denken.«
    »Okay, dann fange ich an!« Er sprang auf und begann, sein Geschirr aus den Küchenschränken zu reißen. »Seht ihr, wie ich zusammenpacke!«
    »Jacques, bitte.«
    »Da gebe ich alles, um mit euch und eurem Hühnerstall zu wohnen, all diese Viecher hier, und dann serviert ihr mich so ab
     – wenn ich das gewusst hätte!«
    Teresa war außer sich. Robert Enke, der normalerweise ruhig wurde, wenn andere sich aufregten, kämpfte vergeblich gegen die
     aufsteigende Wut. Er konnte die Situation auch nicht mehr entschärfen. Das erledigte dann Jacques’ Tochter.
    Ein sechzehnjähriges Mädchen, das ganz ruhig, sehr besonnen, in der Erregung der Erwachsenen vermittelte. »Der ist so, nicht
     verzweifeln«, sagte sie zu Teresa und Robert. »Papa, komm, wir beide gehen jetzt nach oben und fangen an, deine Sachen zu
     packen.«
    Jacques Gassmann zog tatsächlich aus, zunächst zu einem Freund, wo sollte er denn so plötzlich hin. Eine Überraschung aber
     schenkte er ihnen noch zum Abschied. Teresas Mutter rief aus Bad Windsheim an. »Das ist ja toll, dass bei euch eine Vernissage
    

Weitere Kostenlose Bücher