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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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aus 389 Bundesligapartien verloren; ein einziger
     Fußballer, Berti Vogts, hatte öfter als Kamps für den Klub gespielt. An seiner Stelle stand nun ein Torwart, der noch in keinem
     einzigen Bundesligaspiel erprobt war und der Jüngste in der Liga sein würde. »Robert hat unser vollstes Vertrauen«, verkündete
     Friedel Rausch, der mittlerweile vierte Trainer in Robert Enkes drittem Jahr bei der Borussia.
    »Was sollte Rausch denn sonst sagen?«, sagt Jörg Neblung. »Meine Wette ist: In Wirklichkeit fühlte sich der Trainer unwohl.
     Sein Routinier verletzt sich, und jetzt hatte er da so einen Grünschnabel.«
    Marco Villa sah es anders. »Viele in der Mannschaft fanden Robbi damals schon stärker als Kamps, unser Libero Patrik Andersson
     zum Beispiel. Deshalb machten wir uns keine Sorgen, wirklich nicht.«
    Wahrscheinlich hatten alle Beteiligten Jörgs
und
Marcos Gedanken. Wie Teresa schwankten sie zwischen Zuversicht und Bedenken.
    Robert Enke selbst wurde ganz ruhig.
    Er hatte einen Mechanismus entwickelt, innere Nervosität in äußere Ruhe umzuwandeln. Ganz selten setzte der Mechanismus aus.
     Dann überkam ihn die Angst, wie drei Jahre zuvor im Zweitligaspiel für Carl Zeiss Jena in Leipzig, wie in seinem ersten Winter
     in Mönchengladbach. Doch fast immer waren Unruhe oder Aufregung für ihn der Stoff, um hochkonzentriert und ruhig zu werden.
    Am Tag vor dem Bundesligaauftakt schrieb die
Westdeutsche
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Allgemeine Zeitung
: »Dieser 20-Jährige wirkt schon so unglaublich reif, so vernünftig, so ausgeglichen.« Er sagte der Zeitung: »Vorbilder habe
     ich nicht, jetzt sowieso nicht mehr.«
    Der Vater kam aus Jena angereist, einer von Teresas Brüdern aus Würzburg. Gisela Enke war in der Slowakei im Urlaub. »Zu Roberts
     erstem Bundesligaspiel gehen wir gemeinsam«, hatten sie und Dirk Enke sich nach der Trennung versprochen. Das klappte nun
     nicht. Schalke 04 hieß der Gegner am Bökelberg. »Wir haben uns auf der Tribüne gegenseitig fertiggemacht mit unserer Nervosität«,
     sagt Teresa.
    In der vergangenen Saison war die Borussia erst am letzten Spieltag dem Abstieg entronnen, danach war der Große Effenberg
     für eine Ablöse von 8,5 Millionen Mark zu Bayern München weitergezogen. Ein bisschen Gemütlichkeit war von daher das Höchste,
     was sich die meisten in Mönchengladbach von der Saison 1998/99 erhofften, einen Platz im Mittelfeld der Bundesliga, nur weit
     genug weg von der Hatz des Abstiegskampfes.
    Das Stadion war mit 34   000 Zuschauern ausverkauft. Die Sonne schien. Die Stehplatzkurven direkt hinter den Toren stiegen am Bökelberg steiler an
     als irgendwo sonst in der Bundesliga. Wenn der Torwart unmittelbar vor dem Anpfiff von der Mittellinie seinem Tor entgegenlief,
     wurde die voll besetzte Tribüne dahinter mit jedem Schritt höher. Erreichte der Torwart den Fünfmeterraum, fühlte er sich
     wie am Fuße einer Schlucht.
    Robert Enke spielte ganz in Schwarz, der Farbe großer Torhüter aus anderen Zeiten, Lew Jaschin, Gyula Grosics, Ricardo Zamora.
    Das Spiel begann. Ein Stürmer setzte sich sofort am rechten Flügel durch, war vorbei am zweiten Gegner, scharf und flach trat
     er die Flanke auf Höhe des Fünfmeterraums, ins Revier des Torwarts. Der Verteidiger blieb weg, weil er glaubte, der Torwart
     kümmere sich um die Flanke. Aber der Torwart zögerte. In einer Zeit, in der kein Mensch einen Gedanken zu Ende bringen kann,
     muss sich ein Torwart entscheiden, ob er aus dem Tor eilt oder nicht. Nun war es schon zu spät.
    Robert Enke sah vom anderen Ende des Spielfelds zu, wie Borussias neuer Mittelstürmer Toni Polster das Zögern von |60| Schalkes Torwart Frode Grodås zum 1:0 nutzte. Die zweite Spielminute brach gerade erst an. Nach zehn Minuten erhöhte Mönchengladbach
     den Vorsprung auf 2:0.
    Die Partie hatte ihre Hochspannung bereits verloren, ehe er das erste Mal ernsthaft auf die Probe gestellt wurde.
    Das Publikum nahm Robert Enke nur noch unter dem Eindruck der klaren Führung wahr; beim Stand von 2:0 erschien alles und jeder
     ein wenig glänzender. Die Reduziertheit seiner Bewegung, die Abwesenheit jeglicher Hektik in seiner Körpersprache gaben ihm
     die Ausstrahlung eines Torwarts, den nichts erschüttern kann.
    Die Borussia beließ es dabei, geballt zu verteidigen und schnell zu kontern. Zweimal schossen die Schalker den Ball an die
     Latte, einer Handvoll mehr oder minder gefährlicher Schüsse und Kopfbälle stellte er sich souverän entgegen. Zehn

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