Robert Enke
wollte er ihn auf der Schulter ablegen, minutenlang verharrte er in dieser Haltung.
Nun steht er auf einmal mit schiefem Kopf im alten Weltausstellungspavillon, und sie sieht die Tränen, die sich in seinen
Augen sammeln.
Er spürt Teresas Blick auf ihm lasten. »Ich gehe kurz auf Toilette«, sagt er und dreht sich abrupt um, als müsse er sich losreißen.
»Was ist los?«, fragt Jörg.
»Ich glaube, Robbi geht es nicht so gut.«
»Ach so?«
Es dauert ungewöhnlich lange, bis er von der Toilette zurückkommt.
»Fahren wir zurück ins Hotel?«, sagt Teresa sofort, um ihm eine Brücke zu bauen.
Er habe Kopfschmerzen, sagt er Jörg.
Jörg mustert ihn und findet nicht, dass Robert in irgendeiner Art schlecht aussieht. Im Taxi redet Teresa, um zu überspielen,
dass Robert schweigt. Jörg sitzt vorne. Er sieht nicht, wie Robert unbeweglich mit schiefem Kopf aus dem Fenster starrt.
Sie würden sich eine Stunde ausruhen und sehen, wie es dann ginge, sagt Teresa, als der Fahrstuhl des fünfzehnstöckigen Hotels
sie in ihre Etage mit Aussicht bringt.
»Bis später, Jörg.«
Als sie ihre Zimmertür hinter ihnen zumacht, wirft er sich auf das Bett, vergräbt den Kopf ins Kissen und weint so verzweifelt, |85| dass es sich anhört, als könne er an seinen Tränen ersticken. Sie streichelt seinen Nacken, um ihn zu beruhigen.
»Robbi.«
»Ich kann hier nicht bleiben. Es geht nicht.«
»Aber du hast doch vor einer halben Stunden den Vertrag unterschrieben.«
»Was soll ich denn hier in der Fremde?«
Wenigstens spricht er nicht mehr ins Kissen.
Sein Weinen wird leiser.
»Gut«, sagt sie irgendwann. »Du bewegst dich nicht von der Stelle, und ich gehe hinüber, um Jörg Bescheid zu geben. Wir müssen
es ihm sagen.«
Es klopft an Jörgs Zimmertür. Als Teresa eintritt, liegt noch ein Lächeln auf seinen Lippen, als habe er gerade einen schönen
Traum gehabt.
Jörg folgte Teresa über den tiefen, grauen Teppich des Hotelflurs, noch immer nicht ganz erwacht aus dem Hochgefühl der reibungslosen
Vertragsunterschrift. Als sie hereinkamen, lag Robert unverändert auf dem Bett. Ein Dialog wiederholte sich.
Ich kann hier nicht bleiben.
Aber du hast doch vor einer Stunde einen Vertrag unterschrieben.
Es geht nicht.
Für einen Moment war Jörg kampfunfähig. Er hatte nach dem Bundesligajahr in Mönchengladbach ein klares Bild von Robert Enke
im Kopf, ein außergewöhnlich stressresistenter, abgeklärter, vernünftiger junger Mann.
Jörg sah Robert an, und plötzlich sah er sich selbst, mit 16 Jahren zu Hause, als ihn seine Eltern, Lehrer beide, fragten,
ob er denn für ein Jahr als Austauschschüler in die Vereinigten Staaten wolle. Ein diffuses Gefühl aus Furcht und Einsamkeit
war damals in ihm aufgekommen, »Amerika, oh Gott, ist das weit weg«, und Jörg hatte spontan das Angebot seiner Eltern abgelehnt.
Er konnte Roberts Angst nachvollziehen. »Er war erst 21, ein Junge, der ins Unbekannte ging und im Ausland von der Fremdheit
überwältigt wurde.«
|86| Aber aus der Patsche half ihnen dieses Verständnis nicht.
Und wenn er eine Nacht darüber schliefe, vielleicht seien es nur die Nerven, verständlich natürlich.
Robert schüttelte energisch den Kopf. Er müsse hier raus, er reise ab. Auf seinen Wangen waren rote Flecken.
Jörg rief den Flippi an, schließlich war er nur ein Angestellter der Agentur, er konnte keine weitreichenden Entscheidungen
ohne seinen Chef treffen. Der Flippi hatte einen eindeutigen Ratschlag.
»Hau ihm auf die Fresse«, sagte er Jörg.
Jörg verstand: Er musste die Situation alleine klären.
Die Einladung für Robert Enkes Präsentation am nächsten Morgen im Stadion des Lichts war schon an die Medien verschickt worden.
Teresa saß bei Robert auf dem Bett, Jörg setzte sich in den grauen Stoffsessel. Auf dem Schreibtisch stand ein Strauß weißer
Rosen.
»Und wenn wir sagen, Teresa gehe es nicht gut, wir müssen kurzfristig abreisen?«
Sie würde da mitspielen, sagte Teresa.
Jörg sah Robert an.
Robert wartete, dass sie etwas unternahmen.
Dann kläre er das, sagte Jörg. Aber dem Trainer zumindest müsse er die Wahrheit sagen. Robert hatte den Vertrag bei Benfica
allein Jupp Heynckes zu verdanken, schon deshalb seien sie ihm Ehrlichkeit schuldig. Was auch immer danach passiere.
Jörg Neblung trat auf die Straße. Schwierige Gespräche führte er besser, wenn er in Bewegung war. Er marschierte die Rua Castilho
hinunter. Der Autoverkehr
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