Robert Enke
den nächsten Tag war
die offizielle Vorstellung auf einer Pressekonferenz im Stadion des Lichts angesetzt. Er war vorher nicht mehr nach Lissabon
gereist, um die Stadt kennenzulernen.
Ein Dienstwagen wartete am Aeroporto da Portela auf sie. Jörg Neblung trug einen hellen Sommeranzug wie Pierce Brosnan in
Der Schneider von Panama
. Der Flippi hatte gesagt, ihr macht das schon, und war zu Hause geblieben. Robert Enke hatte ein blaues Hemd zum grauen Anzug
gewählt, ohne Krawatte, er war doch Sportler. Als sie in der Tiefgarage des Flughafens losfuhren, bemerkte Teresa einen Fotografen,
der sich hinter einem Pfeiler versteckte.
»Schau mal da«, sagte sie, zu erstaunt, um nachzudenken.
Robert drehte den Kopf in die Richtung, in die ihr Finger zeigte, und ein Blitzlicht knallte ihm in die Augen.
Empört sah er Teresa an, als habe sie abgedrückt.
»Entschuldigung, woher soll ich wissen, dass ein Paparazzo auf die Idee kommt,
uns
aufzulauern?«
Sie erreichten die Anwaltskanzlei von Benficas Präsidenten João Vale e Azevedo.
|82| Freundliche Worte, nervös gezischt, wurden ausgetauscht, dann saß Robert Enke auf einem Stuhl mit Samtpolster. Der Vertrag
lag vor ihm.
Er drehte sich um.
»Soll ich unterschreiben?«
Teresa schluckte. Sie sah ihm in die Augen und versuchte, entspannt zu klingen. »Unterschreib.«
Hände wurden geschüttelt, die von Vale e Azevedo war fleischig, im Profil glich das Gesicht des Präsidenten einem jung gebliebenen
Intellektuellen, von vorne sah er mit der schimmernden hohen Stirn und den übertrieben lachenden Augen aus wie ein Lokalpolitiker,
der besonders schlau sein möchte. Sie traten vor die Tür, dort warteten schon die Fotografen. Vale e Azevedo legte den Arm
um Robert Enke, die Fotografen feuerten los, am nächsten Morgen würde das Bild auf dem Titel der Sportzeitung
Record
erscheinen. »Enke unterschreibt«, stand in Großbuchstaben darüber.
Er sieht rundum glücklich aus auf dem Foto.
Eine Stunde nach der Vertragszeremonie zogen sich Robert, Teresa und Jörg in ihre Hotelzimmer an der Praça Marques da Pombal
zurück, um sich kurz auszuruhen. Jörg lag in seinem Sommeranzug ausgestreckt auf dem Bett, die Arme hinter dem Kopf verschränkt.
Es klopfte.
Teresas Kopf erschien in der Tür.
»Jörg, Robbi bleibt nicht in Lissabon.«
|83| VIER
Angst
Jörg Neblung regte sich nicht. Still blieb er auf dem Bett liegen, um ihn herum türmten sich die Zierkissen, silbergrau und
bronzebraun mit Blumenmuster, wie immer in Hotels der gehobenen Klasse gab es viel zu viele Kissen, und man wusste nicht,
wohin mit ihnen, wenn man das Bett benutzte. Langsam verarbeitete er die Worte, die er eben gehört hatte.
»Was soll das heißen: Robbi bleibt nicht in Lissabon?«
»Er will sofort zurück.«
Jörg richtete sich auf. Mit einem Lächeln kaschierte er seine Verwirrung. Sein Schweigen forderte Teresa auf, ihm von dieser
fernen Welt zu erzählen, in die Robert Enke nach der Vertragsunterzeichnung schlagartig abgetaucht war.
Vor dem Anwaltsbüro, gleich nach der Vertragsunterschrift, hört Robert Enke, wie Teresa sagt, lass uns doch zum Weltausstellungsgelände
fahren und ein wenig bummeln gehen.
Die Autos auf der Avenida da Liberdade fahren langsam, der Feierabendverkehr hat begonnen. Palmen, höher als Häuser, stehen
am Boulevard, das feine Kopfsteinpflaster unter seinen Füßen ist weiß und glatt, geschliffen von Millionen Schuhen. Das Licht
des Sommers im Süden, intensiver, glänzender, spiegelt sich noch in den Schaufenstern. Ein paar Fußgänger betrachten ihn aus
den Augenwinkeln, ohne den Schritt zu verlangsamen, sie wollen nicht neugierig wirken, aber doch gerne wissen, wegen wem die
Fotografen hier waren. Das Schwarz ihrer Haare ist wie das Sonnenlicht: intensiver, glänzender, als er es kennt. Er kann nicht
festmachen, was genau ihm das Gefühl gibt, fremd zu sein.
|84| Sie nehmen ein Taxi.
Die Pavillons der Weltausstellung bilden heute ein Vergnügungsviertel mit Aquarium, Boutiquen, Restaurants. Sie gehen in ein
Einkaufszentrum. Vielleicht gibt es hier auch ein Schuhgeschäft, sagt Teresa spielerisch zu Robert und sieht ihn an.
Er hält den Kopf schief!
Genau so hielt er den Kopf immer im ersten Mönchengladbacher Winter schief, wenn er plötzlich von der Angst überwältigt wurde.
Er saß am Esstisch im Loosenweg, er sagte verzweifelt, er wolle nicht ins Training, und dann schwieg er, den Kopf zur Seite
gelegt, als
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