Roberts Schwester
wollte dann gleich für den Mittwoch einen Abschleppdienst bestellen. Aber Robert meinte, das sei überflüssig. Er wollte das lieber persönlich erledigen. Nach seinem ausführlichen Vortrag verstand ich nicht, wie er sich das vorstellte.
«Du hast mir gerade noch erklärt, man kann ihn nicht mehr fahren, ohne den Motor völlig zu ruinieren. Wie willst du denn damit bis zur Werkstatt kommen?»
Robert lachte immer noch.
«Es geht schon», sagte er.
«Er muss nur genügend Öl haben. Ich fülle einen Liter nach, besser zwei, damit schaffe ich es bestimmt. So weit ist es ja nicht.»
Er vermutete einen Defekt. Und der musste ganz plötzlich aufgetreten sein. Nur einen Tag zuvor, am Montag, hatte ich meinen Wagen zur Inspektion gebracht. Sie hatten auch einen Ölwechsel gemacht und alles war in Ordnung gewesen. Jetzt tropfte es sogar noch bei ausgeschaltetem Motor. Robert untersuchte die Sache und meinte, es sei der Ölfilter.
«Das sieht fast aus, als sei ein Loch drin», sagte er. Und dafür gab es seiner Ansicht nach nur eine Erklärung. Dass die Werkstatt bei der Inspektion geschlampt, möglicherweise etwas beschädigt hatte. Deshalb wollte er persönlich vorsprechen und auf eine Kulanzregelung pochen. Fehler in einer Werkstatt mochten vorkommen, auch in einem ansonsten zuverlässig arbeitenden Betrieb. Nur konnte ich es mir nicht so recht vorstellen. Mir wäre es lieb gewesen, Robert hätte den Wagen gleich mittwochs oder donnerstags zur Reparatur gebracht. Ihn nicht zur Verfügung zu haben bedeutete für mich, zwei Tage im Haus festzusitzen und womöglich noch Isabells Gesellschaft ertragen zu müssen. Leider hatte Robert keine Zeit. Mittwochs fuhr er in aller Frühe nach Frankfurt. Was er dort zu tun hatte, sagte er mir nicht. Etwas Geschäftliches konnte es theoretisch nicht sein. Finanzielle Transaktionen besprach er immer mit mir, allein schon weil ich zu allem mein Einverständnis geben musste. Natürlich war es möglich, dass er sich noch in Verhandlungen befand und mich damit nicht belasten wollte. Donnerstags konnte Robert es ebenfalls nicht einrichten, sich um meinen Wagen zu kümmern. Er hatte einen Termin am Vormittag, über den er mir auch nichts sagen wollte. Nachmittags traf er sich mit Olaf Wächter, unserem Steuerberater. Und freitags kam die Polizei. Es ging mir nicht gut an diesem Morgen. Ich hatte einige sehr hässliche Tage hinter mir. Am Dienstagabend hatte ich mich wohl etwas zu sehr aufgeregt. Zuerst die Sache mit meinem Wagen. Ein plötzlich aufgetretener Defekt – schlampige Arbeit in der Werkstatt! Das war lächerlich. Ich hätte meine linke Hand dafür ins Feuer gelegt, dass mein Wagen absichtlich beschädigt worden war – mit dem einzigen Ziel, mich daheim festzuhalten und auf meinen Nerven herumtrampeln zu können. Aber als ich Robert gegenüber eine Andeutung in diese Richtung machte, schaute er mich nur so bedrückt und zweifelnd an. Ich kannte diesen Blick zur Genüge. Ausgesprochen hieß es:
«Denk doch einmal vernünftig nach, Mia. Wer sollte denn ein Interesse daran haben, deinen Wagen zu beschädigen?»
Wer wohl! Dieses verfluchte Biest, dieses hinterhältige Aas, das keine Gelegenheit ungenutzt ließ, mich ins Unrecht zu setzen und als verrückt abzustempeln. Doch davon wollte Robert nichts wissen. Sprach ich es einmal offen aus, hörte ich nur ein gequältes:
«Mia, bitte»
. Und dann seine Fahrt nach Frankfurt, um die er so ein Geheimnis machte. Er war sehr nervös deswegen. Das beunruhigte mich natürlich. Mehrfach fragte ich ihn, was er dort zu tun hätte, aber er sagte nur:
«Das erfährst du noch früh genug, Mia.»
Robert hatte nie Geheimnisse vor mir gehabt. Wenn er jetzt damit begann, mir etwas zu verschweigen, musste er Gründe haben. Gute Gründe. Ich durfte nicht ausschließen, dass dieses elende Weib es geschafft hatte, ihn zu überzeugen. Mia ist nicht mehr bei klarem Verstand. Sie leidet an Paranoia, fühlt sich von allen verfolgt, von jedem bedroht und wird zur Gefahr für sich und ihre Umgebung. Ich hatte Angst, große Angst. Es war in den letzten Wochen zu ein paar sehr hässlichen Zwischenfällen im Haus gekommen. Nicht einfach nur Tonscherben oder zerbrochene Gipsmasken. Und plötzlich war dieses Buch in der Bibliothek aufgetaucht.
«Geisteskrankheiten, ihre Symptome und ihre Behandlungsmöglichkeiten.»
In der Nacht zum Mittwoch lag ich wach und grübelte stundenlang, warum diese mysteriöse Fahrt nach Frankfurt Robert so nervös
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