Roberts Schwester
Million brachten. Lucia behielt ihr Haus und bekam zusätzlich eine jährliche Rente. Und den großen Rest mussten Robert und ich uns erst verdienen. Wir erhielten zu Anfang nur die Verfügungsgewalt über die Rendite, und selbst die nur in beschränktem Maße. Wir durften monatlich einen gewissen Betrag für unseren Lebensunterhalt nehmen, der großzügig, aber nicht üppig bemessen war. Ich weiß noch gut, dass Robert damals von einem Ferrari träumte, und den konnte er sich nicht leisten. Wir waren verpflichtet, den großen Rest der halben Million anzulegen, für Einkäufe durften wir ihn nicht antasten. Zuletzt hatte Vater noch einen gewissen Sinn für Humor entwickelt und einen
«Wächter»
benannt, der unsere Transaktionen überwachen sollte, den guten Olaf. Als Anreiz für Robert und mich hatte Vater sich eine Art Bonussystem ausgedacht. Je mehr Gewinn wir mit der Rendite erwirtschafteten, umso größer wurde der Anteil des Vermögens, über den wir die Kontrolle ausüben, das heißt, mit dem wir spekulieren durften. Für andere Aktionen als Immobilien- oder Aktienkäufe konnten wir das Grundkapital nicht verwenden. Und wir konnten auch niemals einen Pfennig davon verschenken oder vererben. Wir, vielmehr Robert allein hatte es mit den Jahren geschafft, über das gesamte Vermögen verfügen zu können. Er hatte die Rendite zuerst verdoppelt, dann verdreifacht. Dadurch hatte sich auch der Anteil, den wir für unseren Lebensunterhalt entnehmen durften, zuerst verdoppelt und verdreifacht. Robert hätte sich längst zwei Ferrari leisten oder sie verschenken können. Nur vererben konnten wir diesen Anteil ebenso wenig, wie ein Arbeitnehmer seinen Lohn vererben kann. Es hatte sich für Robert erübrigt, ein eigenes Testament aufzusetzen. Hätte er Kinder gehabt, wären sie ihm und mir gleichgestellt gewesen. Aber es gab keine Kinder, und etwaige Ehepartner gingen bei einer Trennung leer aus. Im Todesfall wurden sie mit einer nach Ehejahren gestaffelten Summe abgefunden. Für die ersten beiden Jahre gab es gar nichts. Als ich es Wolbert erklärte, wurde mir erneut heiß. Mir war klar, wie die Polizei es sehen musste. Ich erinnerte mich auch lebhaft an das Gespräch, das ich mit Robert geführt hatte, als er mir eröffnete, dass er Isabell heiraten wollte. Als ich noch versuchte, es mit sanften Mitteln zu verhindern.
«Sie ist doch nur hinter deinem Geld her, begreifst du das nicht? Erzähl ihr von Vaters Testament, dann wirst du rasch feststellen, wie groß ihre Liebe ist.»
«Hat er es ihr erzählt?», fragte Wolbert sachlich. Das wusste ich nicht. Aber sie hatte vermutlich davon erfahren, als sie den Ehevertrag unterschrieb. Das war eine Woche vor ihrer Trauung gewesen. Einen Tag später hatte Robert eine Lebensversicherung zu ihren Gunsten abgeschlossen. Ich wusste davon, weil bei einer Ehescheidung oder Isabells Tod ich die Begünstigte sein sollte. Es war ein Kleckerbetrag verglichen mit dem, was ich durch Roberts Tod gewann. Aber ich hatte doch nichts gewonnen. Ich hatte mehr verloren, als ich jemals einem Menschen begreiflich machen konnte. Was interessierte mich das Geld? Es war immer da gewesen, viel mehr, als ich ausgeben konnte. Dass es jetzt mir allein gehörte, war für mich nur eine Belastung. Nun musste ich dafür sorgen, dass es sich weiter vermehrte und dass es irgendwann jemanden gab, der darüber verfügen durfte. Ich konnte mir Serges Reaktion lebhaft vorstellen, sollte ich von ihm verlangen:
«Mach mir ein Kind, sonst ist nach mir keiner mehr da.»
Alles was ich durch Roberts Tod gewonnen hatte, war die Freiheit, Isabell und Jonas hinauszuwerfen. Sobald wir das Haus erreichten, konnte ich sagen:
«Packt zusammen und verschwindet. In einer Stunde will ich euch hier nicht mehr sehen. Wenn es auch nur fünf Minuten länger dauert, werfe ich deinen Bruder persönlich die Treppe hinunter.»
Sie war wieder arm wie eine Kirchenmaus. Daran gab es nichts zu rütteln. Robert war ihr Garant für den Luxus und das sorglose Leben, Robert war ihre Sicherheit gewesen. Wolbert sah das ebenso.
«Für Ihre Schwägerin kann man also ein finanzielles Motiv ausschließen», stellte er fest.
«Es gibt ja auch andere Motive», sagte ich.
«Zum Beispiel sexuelle Hörigkeit.»
Dann erzählte ich ihm von Horst Fechner, alles was ich wusste und vermutete. Im Prinzip war es ja einfach. Fechner hatte sich abgesetzt, und Isabell hielt es ohne ihn nicht aus. Robert musste sterben, damit Fechner zurückkehren
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