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Roberts Schwester

Roberts Schwester

Titel: Roberts Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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nennen. Es muss zwischen vier und fünf gewesen sein. Draußen wurde es gerade hell. Ich wollte Ihnen das gestern schon sagen, aber ich kam nicht mehr dazu.»
    Wolbert hatte fast so etwas wie Mitleid im Blick, als er bedächtig den Kopf schüttelte.

    «Sie müssen sich irren, Frau Bongartz. Vielleicht haben Sie geträumt. Wir haben die Aussagen von zwei Zeugen, dass Ihr Bruder das Haus gegen halb drei in der Nacht verließ und nicht mehr zurückkam.»

    «Einen Scheißdreck haben Sie», widersprach ich.

    «Wer sind denn Ihre Zeugen? Die beiden da oben? Wenn zwei Leute sich einig sind und aus gutem Grund das Gleiche behaupten, ist das noch lange keine glaubwürdige Aussage. Haben Sie sich in Roberts Schlafzimmer ebenso gründlich umgeschaut wie in seinem Arbeitszimmer? Können Sie ausschließen, dass er in seinem eigenen Bett getötet wurde?»
    Wolbert schwieg. Sein Lehrling stand ohnehin nur dekorativ herum.

    «Wer immer dieser Biller auch sein mag», fuhr ich fort.

    «Er hat mit dem Tod meines Bruders nichts zu tun. Ich irre mich nicht, und ich habe nicht geträumt. Robert war gegen Morgen noch einmal in meinem Atelier. Und er war nicht allein. Isa war bei ihm. Ich hörte sie sprechen. Er solle mich nicht aufwecken, sagte sie.»

    «Sie vermuten, Ihre Schwägerin hat ihn getötet?», resümierte Wolbert überflüssigerweise. Wovon sprach ich denn die ganze Zeit? Ich konnte nur nicken. Und Wolbert seufzte.

    «Der Gerichtsmediziner schätzt, dass der Tod kurz nach drei Uhr in der Nacht eintrat, Frau Bongartz. Zu diesem Zeitpunkt war Ihre Schwägerin hier.»

    «Wer bestätigt das?», fragte ich.

    «Jonas Torhöven?»
    Diesmal nickte Wolbert.

    «Und Doktor Piel», sagte er. Er wollte anscheinend noch mehr sagen. Aber ich konnte ihm nicht länger zuhören. Ausgerechnet Piel!

    «Ich will die Stelle sehen», sagte ich und stand auf. Wolbert klappte sein Notizbuch zu und erhob sich ebenfalls. Noch einmal lächelte er mich freundlich, höflich, überheblich oder nichtssagend an.

    «Trauen Sie sich das zu? Ich meine, fühlen Sie sich imstande …»
    Er brach ab, den Satz ebenso wie sein Lächeln, und erklärte:

    «Ihre Schwägerin sagte uns, Sie seien nervlich in keiner besonders guten Verfassung. Und nach Ihrem gestrigen Zusammenbruch möchte ich Sie nicht überfordern.»

    «Das war gestern», sagte ich.

    «Heute bin ich in der richtigen Verfassung.»

    «Gut», meinte er.

    «Ich wollte Sie ohnehin bitten, sich den Platz einmal anzuschauen.»
    Der Jüngling trottete schon einmal voraus zur Tür. Ich folgte ihm. Und diesmal warf ich keinen Blick in den Spiegel. Ihren Wagen hatten sie in der Einfahrt abgestellt, nahe bei den Garagen. Es war eine dunkle Limousine. Wolbert ging zur Fahrerseite. Wozu schleppte er diesen Knaben mit sich herum, wenn der nicht einmal taugte, ihn durch die Gegend zu kutschieren? Mich ließen sie hinten einsteigen. Es war mir nicht recht. Seit dem Unfall konnte ich nicht mehr in einem Wagenfond sitzen. Aber ich mochte nicht bitten, auf dem Beifahrersitz Platz nehmen zu dürfen. Sie hätten eine Erklärung verlangt, und das ging sie nun wirklich nichts an. Es hatte ja auch nichts mit Roberts Tod zu tun. Ich hatte ihm niemals die Schuld gegeben, niemals Vorwürfe erhoben, er hätte mein Leben zerstört. Das hatte Piel nur immer behauptet. Und jetzt gab er Isabell ein Alibi. Steckten denn alle unter einer Decke? Was mochte sie ihm dafür geboten haben? Piel war in der Nacht nicht im Haus gewesen, das wusste ich mit Sicherheit. An ihn hätte ich mich auf jeden Fall erinnert. Ehe Wolbert losfuhr, zeigte er zu meiner Garage hinüber. Direkt vor dem Tor waren einige Ölflecken auf dem Boden. Wahrscheinlich stammten sie vom Dienstagabend.

    «Ihre Schwägerin sagte uns, Ihr Wagen sei defekt», ließ Wolbert sich vernehmen. Es klang halb nach einer Frage und halb nach einer Feststellung.

    «Was hat meine Schwägerin Ihnen sonst noch gesagt?», fragte ich.

    «Sie ist bemüht, uns zu helfen», erklärte er. Und dabei klang er sehr reserviert. Dann fuhr er endlich los. Er fuhr zügig und schwieg. Sein Lehrling war ebenfalls still. Ein Wort von ihm hätte mich auch sehr gewundert. Als wir die Autobahn erreichten, bekam ich Schwierigkeiten. Ich konnte nicht mehr durchatmen. Es waren so viele Lastwagen unterwegs, und ich war auf der falschen Seite eingestiegen. Ich hatte gedacht, wenn ich hinter dem Knaben säße, könnte ich mich besser mit Wolbert unterhalten und dabei auch seine Miene beobachten.

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