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Roberts Schwester

Roberts Schwester

Titel: Roberts Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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Ersatzschlüssel hatte Wolbert mir nicht weggenommen. Irgendeine Kneipe, wo ich meine Gedanken ordnen und zu einem Ergebnis kommen konnte. Eine Flasche Wodka, um die Übelkeit zu vertreiben und die Leere aufzufüllen. Und in meinem Hinterkopf sagte Serge:
    «Du säufst dich noch um deinen Verstand, Mia. Mach nur so weiter. Irgendwann ist auch Robert mit seiner Geduld am Ende. Ich an seiner Stelle hätte dich längst in die Klapsmühle eingewiesen.»
    Um Viertel nach drei wurde mein Wagen abgeholt. Ich ging hinaus und schaute zu, wie er auf den Abschleppwagen verladen wurde. Danach saß ich wieder im Atelier – mit einer Flasche Wodka aus dem Vorratsraum. Er war nicht kalt genug und schmeckte wie abgestandenes Wasser. Ich wartete darauf, dass mein Hirn sich mit Nebel füllte, aber ich spürte überhaupt nichts, saß nur da, trank ein Glas nach dem anderen und betrachtete die Spuren des Meißels auf dem grauen Stein. Der unförmige Klotz hatte etwas so Endgültiges, dass ich es kaum ertragen konnte. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus und rief Olaf an. Ich musste eine vertraute Stimme hören. In seinem Haus erreichte ich ihn nicht. Ich probierte es in seinem Büro und hatte Glück. Das muss so gegen fünf gewesen sein, und Olaf war nicht allein. Die Polizei war bei ihm. Vielleicht war er nur deshalb so reserviert. Er sagte lediglich, wie Leid es ihm um Robert täte, und versprach zu kommen, falls er es einrichten könne. Nach einer festen Zusage klang das nicht. Wir hatten uns in all den Jahren immer recht gut verstanden. Wie ich war auch Olaf allein geblieben. Hin und wieder hatte er wohl Romanzen gehabt, etwas Ernstes war nicht dabei gewesen. Eine feste Bindung wolle er nicht mehr eingehen, sagte er häufig. Manchmal kam noch eine Anspielung auf meine Narben und die plastische Chirurgie. Manchmal kam eine Einladung zum Abendessen. Und manchmal hatte Robert darüber gescherzt.
    «Ich glaube, er wartet immer noch auf dich, Mia. Willst du es dir nicht noch einmal überlegen?»
    Plötzlich wurde mir bewusst, dass auch Olaf ein Motiv hatte, ein entschieden besseres als Isabell. Jetzt war sein Rivale aus dem Weg. Jetzt war ich allein und vielleicht bereit, die drei wichtigen Punkte abzuschreiten, zuerst das Standesamt, dann sein Bett und neun Monate später die Entbindungsstation. Zu alt war ich vermutlich noch nicht, ein Kind zu bekommen. Das hatten schon Ältere zuwege gebracht. Und ein gemeinsames Kind hätte Olaf direkten Zugang zu einem Vermögen verschafft, dessen Höhe er jetzt nur regelmäßig kontrollieren durfte. Aber er war nicht der Typ, der über Leichen ging, um ein Ziel zu erreichen. Er war auch nicht übermäßig geldgierig, ihm reichte sein Einkommen. Und ihm fehlte dieses gewisse Etwas, das eine Spielernatur ausmacht. Und dieses Etwas war unabdingbar. Olaf hatte kein Interesse daran, ein – wie er es ausdrückte – seismologi-sches Gespür für die winzigen Erschütterungen der Wirtschaft zu entwickeln. Abgesehen davon hatte er sich mit Robert sehr gut verstanden, er war wie ein väterlicher Freund. Genau so konnte man es bezeichnen. Um sieben ging ich in die Halle. Ich rechnete nicht mehr damit, dass Olaf noch käme. Es war still, völlig still. Frau Schür hatte das Haus kurz nach Mittag verlassen. Samstags ging sie meist um diese Zeit. Ich fragte mich, ob jetzt Isabell Angst hatte. Allein mit einem hilflos an den Rollstuhl gefesselten Mann und mir. Unberechenbar, so hatte sie mich in den letzten Wochen oft bezeichnet. Sie hatte diesen Ausdruck nur benutzt, um Robert gegen mich aufzubringen. Aber jetzt war ich in genau der richtigen Stimmung, den Beweis für ihre Behauptung anzutreten. Vermutlich wusste sie das. Als ich sie nachmittags am Fenster gesehen hatte, hatte sie einen unsicheren und ängstlichen Eindruck gemacht. Frau Schür hatte die übliche Platte mit Bratenaufschnitt und einen gemischten Salat im Kühlschrank bereitgestellt. Ich war nicht hungrig, auch nicht mehr müde und nicht betrunken. Mein Hirn summte nicht vom Wodka: Es war Roberts Stimme, die jede Nervenfaser vibrieren ließ.
    «Jetzt reiß dich endlich zusammen, Mia. Hör auf mit dem Theater. Hör mir zu.»
    Ich hatte ihm nicht zugehört, aber Serge. In all dem Elend war mir Wolberts Hinweis völlig entfallen. Ich rief mir ein Taxi und ließ mich zum «Cesanne» bringen. Es war kurz vor acht. Die Bar hatte noch nicht geöffnet. Ich klingelte Serge aus seiner Wohnung. Er war erstaunt, mich zu sehen, und machte keine

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