Roberts Schwester
öffentlicher Parkplatz. Kein Mensch kann sagen, wie viele Wagen in den letzten Tagen in dieser Parkbucht gestanden haben. Allzu viele werden es kaum gewesen sein. Die meisten Leute sind zu faul zum Laufen. Jeder fährt so nahe wie möglich an die Raststätte heran. Also denke ich mir, wer sich den letzten Winkel aussucht, will keine Zeugen. Und wir haben keine Zeugen. Niemand hat gesehen, dass Ihr Bruder auf den Platz fuhr, niemand hat gesehen, dass Ihr Wagen neben ihm einparkte. Aber es ist ein sehr großer Ölfleck, und es müsste ein sehr großer Zufall sein, wenn er von einem x-beliebigen Fahrzeug verursacht worden wäre. An sehr große Zufälle glaube ich nicht. Ich wollte, dass Sie sich die Stelle anschauen, weil ich hoffte, damit Ihre Erinnerung in Gang zu bringen.»
Er sprach ruhig und sachlich, nicht mehr so väterlich wohlwollend.
«Dass Sie Ihrem Bruder gefolgt sind, heißt nicht automatisch, dass Sie ihn erschossen haben. Ebenso gut könnten Sie ihm nachgefahren sein, um etwas zu verhindern. Es könnte sich ungefähr so abgespielt haben.»
Ich war kaum in der Lage, seinen Ausführungen zu folgen. Auch die Lastwagen, die er einen nach dem anderen überholte, nahm ich kaum wahr. Schemen waren sie, die konturlos vorbeihuschten. Vor meinem Auge flimmerte nur dieser bunt schillernde Fleck. Wolbert hatte sich eine großartige Theorie zurechtgelegt und breitete seine Spekulationen ungerührt vor mir aus. Seiner Meinung nach hatte Robert mich bei Serge Heuser abgeholt und mir während der Heimfahrt erklärt, dass er in dieser Nacht noch etwas erledigen müsste. Ich war mit seinen Plänen nicht einverstanden. Es kam zu einer Auseinandersetzung in der Halle, von der Isabell aufwachte. Robert verließ das Haus trotz meines Protestes wieder. Und ich hatte Angst um ihn. Wie hätte ich da in meinen Atelier bleiben und mich schlafen legen können? Als ich zu meiner Garage kam, war Robert bereits seit einigen Minuten unterwegs, und er fuhr den schnelleren Wagen. Ehe ich losfahren konnte, musste ich auch noch Öl nachfüllen. Immerhin hatte er mir doch erklärt, dass mein Wagen durchaus fahrtüchtig war mit der entsprechenden Menge Motoröl. Zudem hatte er es Isabell erklärt, so war Wolbert nun umfassend eingeweiht. Und Robert hatte am Donnerstag zwei Liter Öl besorgt. Sie hatte den Kassenbon einer Tankstelle bei ihm gefunden.
«Fahrtüchtig wäre Ihr Wagen also gewesen», stellte Wolbert fest.
«Es dürfte nur einige Minuten gedauert haben, ehe Sie ihn so weit hatten. Mit Ihrer Behinderung sind Sie nicht so flink.»
Es war gemein und niederträchtig, das wusste er auch. Vielleicht hoffte er, mich auf diese Weise aus der Reserve zu locken. Er brummte etwas, das nach einer Entschuldigung klang, dann erklärte er weiter, was sich seiner Meinung nach abgespielt haben könnte. Als ich den Rastplatz endlich erreichte, war Robert bereits tot. Und ich war in einer schrecklichen Verfassung. Helfen konnte ich ihm nicht mehr. Ich blieb eine Weile bei ihm. Vielleicht wollte ich ihm noch etwas sagen, seine Hand halten oder etwas an mich nehmen, das er bei sich hatte. Dann fuhr ich zurück.
«Haben Sie nicht auch das Gefühl, es könnte so gewesen sein?», fragte er Es klang fast, als wolle er mir die berühmte goldene Brücke bauen. Nur dachte ich nicht daran, einen Fuß auf sein Bauwerk zu setzen.
«Nein», sagte ich knapp und bestimmt.
«Ich habe weder das Gefühl noch sonst etwas. Als mein Bruder mich ins Haus brachte, war ich nicht mehr in der Lage, etwas anderes zu tun, als zu schlafen. Wenn Sie mir nicht glauben, fragen Sie meinen Arzt. Rein theoretisch musste er es ja gesehen haben.»
Auf die Anspielung zu Isabells Alibi ging Wolbert nicht ein. Er nickte nur flüchtig.
«Es war auch nur eine Hypothese», meinte er. Dann fiel ihm noch etwas ein.
«Gibt es eigentlich ein Testament?»
Natürlich gab es eins. Aber das hatte nicht Robert aufgesetzt, sondern Vater. Und er hatte verfügt, dass das Vermögen in der Familie blieb, ausschließlich dort. Es klang alles sehr kompliziert. Vater hatte sich etliche Tricks und Finessen einfallen lassen, um zu verhindern, dass sich nach seinem Tod Fremde bereichern konnten, egal, auf welche Art. Als er starb, hinterließ Vater etwas Grundbesitz in Spanien, der auf Lucia eingetragen war, das Anwesen hier, das Robert und ich zu gleichen Teilen erbten, und ein Bündel von Papieren und anderen Anlageformen, die zusammen damals eine jährliche Rendite von rund einer halben
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