Roberts Schwester
dünn.
«Mia, bist du noch da?»
«Ja.»
«Wer hat es getan, Mia?»
«Ich weiß es nicht.»
Sie war völlig außer sich, stammelte noch eine Weile sinnlose Worte in den Hörer, versprach dann, sich um ein Flugticket zu kümmern und so rasch als möglich zu kommen.
«Mia, es ist so furchtbar. Es ist meine Schuld. Warum war ich nicht bei ihm? Er hätte mich gebraucht, aber ich habe es nicht begriffen. Ich wollte euch besuchen, wenn mein Roberto Vater geworden ist. Und jetzt ist er tot.»
Vater geworden! Das ging mir wie ein Stromschlag durch den Kopf und sämtliche Glieder. Vater geworden! Das war die Lösung. Warum war ich nicht eher darauf gekommen? Für ein Kind von Robert war Vaters Testament wie maßgeschneidert. Vom Tag seiner Geburt an konnte dieses Geschöpf abkassieren, und bis zu seiner Volljährigkeit konnten das stellvertretend die Eltern. So hatte Vater es gewollt. Wie hätte er auch ahnen können, dass es Menschen vom Schlage einer Isabell, eines Horst Fechner und eines Jonas Torhöven gab? Ein unglaublicher Abgrund, wie könnte man es anders bezeichnen? Einen Mann umgarnen, ihm den Kopf völlig verdrehen, sich von ihm schwängern lassen, nur um ihn töten zu können. Mit einem Schlag war alles ganz klar. Ein Motiv, wie es deutlicher nicht sein konnte. Jetzt bekam auch Roberts Äußerung bei Serge einen Sinn. Mittel besorgen! Seit sechs Wochen hatte Isabell das Haus kaum noch verlassen, aber davor! Tag für Tag unterwegs, einmal ein komplettes Wochenende auf Tour. Dieses Kind war nicht von Robert. Es konnte gar nicht von ihm sein, und er hatte das geahnt. Er musste es gewusst haben. Er hatte sie vor die Tür setzen wollen, mitsamt ihrem hilfsbedürftigen Herrn Bruder.
«Hör auf mit dem Theater, Mia, hör mir zu.»
Und dann hatte er wahrscheinlich zu mir gesagt:
«Es ist bald alles überstanden, in ein paar Tagen sind wir sie los. Es wird alles wieder so wie früher, Mia. Ich muss jetzt noch einmal weg. Ich treffe mich mit einem Mann, der mir die Beweise für Isas Betrug beschafft hat.»
Natürlich hatte ich ihn begleiten wollen. Und er hatte vermutlich gesagt, ich solle mich lieber ausruhen. Es konnte gar nicht anders gewesen sein. Und dieses Weib hatte von der Galerie aus mitgehört. Und während Robert mir half, mich hinzulegen, während er noch einen Moment bei mir blieb, um zu sehen, ob ich Schlaf fand, hatte sie die Gelegenheit genutzt. Sie war vorausgefahren. Mit meinem Wagen! Vielleicht hatte sie gehofft, es möge Zeugen geben, die das Fahrzeug beschreiben konnten. Vielleicht hatte sie gedacht, der Ölverlust wäre als Beweis ausreichend. Ich konnte kaum noch atmen, als ich die Treppen hinauflief. Isabell war im Zimmer am Ende der Galerie. Wo auch sonst! Sie stand am Fenster und schaute zu den Garagen hinüber, als ich eintrat. Jonas saß im Rollstuhl beim Tisch und schaute mir mit wildem Blick entgegen.
«Kannst du nicht anklopfen?», fuhr er mich an.
«Halt die Klappe», sagte ich und wandte mich an Isabell.
«Ich hörte gerade von Lucia, du bist schwanger!? Doch bestimmt nicht erst seit vierzehn Tagen. Es dauert ja wohl ein Weilchen, ehe man mit hundertprozentiger Sicherheit weiß, dass es geklappt hat.»
Sie drehte sich langsam zu mir um. Jonas grinste, als sie mir antwortete:
«Der Arzt sagte, es sei die neunte Woche.»
Ihre Stimme war so ruhig. Mir war danach, ihr an die Kehle zu gehen, aber ich bemühte mich ebenfalls um Ruhe.
«Sieh einer an», sagte ich.
«Die neunte Woche. Dann hast du dir das Balg wohl während des verlängerten Wochenendes machen lassen. Das müsste hinkommen, oder habe ich mich jetzt verrechnet?»
Sie reagierte nicht, und ich sagte:
«Du bildest dir hoffentlich nicht ein, du hättest die Garantie für ein sorgloses Leben im Bauch. Ich kann beweisen, dass es nicht Roberts Kind ist. Robert hätte es übrigens auch beweisen können. Er wusste inzwischen, dass du ihn nach Strich und Faden mit Horst Fechner betrügst.»
Jonas grinste immer noch, wenn eben möglich, wurde es sogar noch eine Spur breiter, dieses Grinsen. Isabell stieß sich vom Fenster ab, ging zu ihm und legte eine Hand auf seine Schulter. Er griff nach ihrer freien Hand, hielt sie fest und tätschelte sie. Es war ein rührender Anblick, Hansel und Gretel erzitterten beim Anblick der bösen Hexe.
«Mia, bitte», flüsterte sie. Es war nur ein Hauch.
«Ich will nichts weiter als ein bisschen Ruhe. Es ist alles so schrecklich.»
Sie geriet ins Stammeln, wischte sich mit einem
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