Roberts Schwester
beiden Wochen Jonas gewidmet hatte, obwohl er geschäftlich so viel unterwegs gewesen war. Wenn er eine Stunde erübrigen konnte, verbrachte er sie nicht mit mir, wie er es früher immer getan hatte. Er ging stattdessen hinauf und klopfte an wie ein Gast im eigenen Haus. Es hatte mich schon ein wenig gestört. Ich hatte ihn auch ein- oder zweimal gefragt, was er denn immer mit Jonas zu bereden hätte. Eine Antwort hatte ich nicht bekommen, nur eins von diesen gequälten Lächeln, bei denen mir sein Blick durch und durch ging. Aber jetzt gab es eine Erklärung für sein Verhalten. Robert hatte nur versucht, den beiden auf unverfängliche Weise auf die Finger zu sehen. Unter dem Vorwand, in Isabells Nähe sein zu wollen, hatte er sich bemüht, sie auszuhorchen. Es war natürlich nicht die beste Methode der Kontrolle, und sie zeigte einmal mehr, wie hilflos Robert diesem Komplott gegenübergestanden hatte. In seiner Gegenwart dürften sie kaum Pläne geschmiedet haben. Vielleicht hatte Robert trotzdem das eine oder andere erfahren. Er hatte doch nur so tun müssen, als sei er ganz auf ihrer Seite. Und in den letzten beiden Wochen hatte er so getan. Mit seinem Verhalten hatte er sogar mich überzeugt und zeitweise in Panik versetzt. An einem Abend hatte ich zufällig gehört, wie sie über einen interessanten Fall sprachen. Angeblich ging es um eine frühere Nachbarin ihrer Eltern. Jonas hatte sich redlich bemüht, von Isabell bestätigt zu bekommen, wie das damals gewesen war mit der armen Frau Sowieso. Die Ärmste war plötzlich dem Wahn verfallen, ihr Mann wolle sie aus dem Weg räumen. Überall in der Wohnung hatte sie Beweise für seine Absicht gefunden. Als ihr Mann ihr einmal vorsorglich ein Bad einließ, weil sie sich körperlich sehr stark vernachlässigte, war sie schreiend durchs Haus gerannt, nun wolle er sie ertränken. Man hatte sie dann schweren Herzens einweisen müssen. Ihre Behandlung hatte ein sehr fähiger Psychiater übernommen, und selbstverständlich hatte diese Koryphäe die arme Frau Sowieso geheilt. Ich hatte natürlich gewusst, dass es eigentlich um mich ging. Ganz genau hatte ich gewusst, was sie Robert einreden wollten. Ich hätte gerne mit Piel über alles gesprochen. Ich wollte nur einmal, nur ein einziges Mal von ihm hören, dass ich in all den Monaten Recht gehabt hatte. Aber Piel hatte mich bei unseren letzten Gesprächen nur noch gefragt, wie ich meine Gefühle für Robert derzeit einordnete.
«Er ist der Mann, der Ihr Leben zerstört hat, Mia. Er hat Ihnen alles genommen, Ihre Gesundheit, den Mann, den Sie liebten, Ihren Beruf und die Chance, als Künstlerin berühmt und von aller Welt anerkannt zu werden. Sie haben das jahrelang verdrängt, weil er bei Ihnen war. Er kümmerte sich rührend um Sie, war fast ausschließlich für Sie da. Und dann kam diese junge Frau. Nun ist zusätzlich sein Schwager im Haus, und Robert übersieht Ihre Bedürfnisse völlig. Er schließt Sie aus, Mia, er macht gemeinsame Sache mit Ihren Feinden. So empfinden Sie es doch, nicht wahr? Sie spüren, dass er Sie aus seinem Leben drängt. Was empfinden Sie, wenn er Abend für Abend mit Frau und Schwager verbringt und Sie allein in Ihrem Atelier sitzen?»
Piel hatte Zeit. Dass ich bei ihm nun besonders vorsichtig sein musste, stand außer Zweifel. Mein Therapeut steckte unter einer Decke mit dieser Bande! Es war unvorstellbar, aber es erklärte vieles, vor allem seine endlosen Vorträge. Nur konnte ich es mir kaum leisten, ihn offen zu beschuldigen. Die Patientin gegen den Arzt, da musste der richtige Eindruck entstehen. Ich konnte es mir nicht einmal leisten, den nächsten Termin bei ihm abzusagen. Aber sollte er mich tatsächlich für den Montag zu sich bestellen, war ich bis dahin wahrscheinlich in einer besseren Verfassung und konnte logisch argumentieren. Es war zehn vorbei, als ich mich endlich aufraffte und zum Telefonhörer griff, schließlich musste auch Lucia erfahren, was geschehen war. Sie freute sich über meinen Anruf. Einen Augenblick lang hatte ich befürchtet, Isabell sei mir zuvorgekommen. Aber Lucia war ahnungslos, sie rechnete auch nicht mit einer schlimmen Nachricht. Ich ließ ihren ersten Wortschwall über mich ergehen, biss die Zähne zusammen, um es mir erträglicher zu machen. Und dann war Lucia es, die die Zähne zusam- menbiss. Sekundenlang hörte ich nur ein fürchterliches Knirschen, vielleicht war ihr der Hörer aus der Hand gefallen. Dann kam ihre Stimme wieder, ganz klein und
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