Roberts Schwester
Mundwinkel nach unten.
«Hysterische Kuh», murmelte er. Isabell war ganz bleich geworden.
«Damit kommt ihr nicht durch», sagte ich, vielleicht schrie ich auch, es ist ja nicht so wichtig.
«Ich hatte keinen Grund, Robert zu töten.»
Jonas schüttelte den Kopf, es sah fast nach Bedauern aus.
«Muss ich deinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen? Nach deiner Spritztour vor drei Wochen hat Robert gesagt, dass er sich wohl oder übel mit Piel in Verbindung setzen muss. Er hatte die Schnauze voll, das weißt du ebenso gut wie ich. Keinen Grund? Wenn hier überhaupt jemand einen Grund hatte, dann du. Ist nur bedauerlich, dass du deinen Kopf aus der Schlinge ziehen kannst. Verrückt muss man sein, dann darf man ungestraft um sich schießen.»
Irgendwie kam ich wieder hinunter, lag auf der Couch und bemühte mich um Ruhe. Isabell blieb die ganze Nacht bei Jonas. Ich hatte die Tür zur Halle offen gelassen und hörte bis weit nach Mitternacht keinen Muckser von der Galerie, keinen einzigen Schritt, nicht einmal eine Tür ging auf und zu. Sie hatte wohl Angst, mir nach dieser Szene auf der Treppe oder in der Halle zu begegnen. Kurz nach eins stieg ich hinauf. Ich schaute einmal kurz in Roberts Schlafzimmer. Die Tür war nicht verschlossen. Ich machte Licht, das Bett war unberührt. Sekundenlang lähmte mich der Anblick völlig. Das Bewusstsein, dass es jetzt immer so wäre, war wie ein Bleigewicht in den Beinen und löste erneut das brennende Bedürfnis aus, sie beide auszulöschen, auf der Stelle. Aber ich hatte nichts bei mir, nicht einmal einen Strumpf, mit dem ich sie hätte erdrosseln können. Und sie waren zu zweit. Auch wenn er keinen Schritt laufen konnte, dieser Kerl hatte Bärenkräfte. Ich ging trotzdem bis zu der Tür am Ende der Galerie. Dahinter war es still. Ob sie tatsächlich schliefen? Zusammen in einem Bett? Und kein Doppelbett wohlgemerkt! Ich drückte vorsichtig die Klinke, es war abgeschlossen. Trotz meiner Vorsicht hatte es ein leises Knacken gegeben. Und Isabell hatte wohl einen sehr leichten Schlaf, die Nerven, nicht wahr! Sie war der Schwachpunkt, das wurde mir in den folgenden Sekunden klar. Es herrschte noch einen Augenblick Ruhe, dann hörte ich sie leise fragen:
«Was war das?»
Es klang bereits nach einem Anflug von Hysterie. Sie bekam nicht sofort Antwort, wurde noch nervöser und etwas lauter:
«Wach auf. Ich glaube, sie ist an der Tür.»
Von ihm kam zuerst nur ein verschlafenes Brummen. Isabell flüsterte, sprach jedenfalls so leise diesmal, dass ich nichts davon verstand. Jonas antwortete in der gleichen Lautstärke. Aber er schaffte es nicht, sie zu beruhigen. Noch einmal verstand ich sie deutlich.
«Ich halte das nicht aus. Ich kann nicht mehr. Ich will hier weg. Sie wird uns alle umbringen, warum glaubst du mir …»
Ihre Stimme brach plötzlich ab, als habe er ihr eine Hand auf den Mund gelegt, um sie zum Schweigen zu bringen. Ich wartete noch ein paar Minuten, aber außer einem wütenden Zischen hörte ich nichts mehr. Und hinein zu ihnen konnte ich ja nicht. Also ging ich wieder hinunter und legte mich auf die Couch. Am nächsten Morgen traf ich Isabell in der Küche. In meinem Kopf hämmerte es, aber es war keiner von den schlimmen Anfällen. Vermutlich war es nur Erschöpfung, ich war erst gegen Morgen eingeschlafen, und in den letzten Nächten hatte ich auch nicht übermäßig viel Schlaf bekommen. Vielleicht war es auch Hunger, ich hatte seit Dienstag nicht mehr richtig gegessen. Ich war ruhig, absolut ruhig. Jetzt, wo ich keine Rücksicht mehr auf Robert und seine Gefühle nehmen musste, war ich die Stärkere, die Nacht hatte mir das deutlich gezeigt. Ich konnte sie noch ein wenig zappeln lassen, bevor wir zum Ende kamen. Und ich war fest entschlossen, das auch zu tun. Sie sollten am eigenen Leib erfahren, wie das war, in Angst zu leben, genau zu wissen, dass etwas Schreckliches kommt, und nicht zu wissen, wie man es verhindern kann. Ich wollte mir gerade einen Kaffee machen, als Isabell hereinkam. Sie hatte anscheinend nicht mit mir gerechnet, es war noch sehr früh. Sie zuckte zurück, als sie mich sah, und wollte gleich wieder umdrehen.
«Komm nur herein», sagte ich.
«Ich bin im Augenblick unbewaffnet, und mit nur einem Arm lasse ich es lieber nicht auf einen Faustkampf ankommen.»
Sie antwortete nicht, schlich in weitem Bogen um mich herum von Schrank zu Schrank.
«Wir sind unter uns», sagte ich.
«Du kannst dir das Theater für später aufheben. Lucia
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