Robinas Stunde null
Hals, drückte sie an sich und verharrte
in einer Woge aus Freude und Glück. Heftiges Schluchzen
schüttelte ihren Körper.
Auch die andere zeigte sich von der Situation überwältigt. Sie
erwiderte die Umarmung, und ihre Tränen mischten sich mit
denen Robinas.
Nach einer Weile löste sich die Frau von Robina, hielt diese
mit beiden Armen in Abstand, ihr verweintes Gesicht überzog
ein Lächeln, und sie sagte mit brüchiger Stimme:
„Willkommen daheim! Ich bin Sophie. Du bist Robina Crux
von der REAKTOM. Wir haben in deine Aufzeichnungen
geschaut.“
Robina wischte mit dem Ärmel über die Augen. „Ja! Und wo
bin ich hier daheim?“, fragte sie brüchig.
„Erstmal in Quarantäne; ich leiste dir Gesellschaft und
schirme dich ab in dieser Zeit.“
„Quarantäne, na klar! Daran habe ich nicht gedacht. Wie
lange?“
„Vier Wochen.“
„Und Birne, wo ist Birne?“
„Hm?“ Sophie zog die Stirn in Falten und sah Robina mit
völligem Unverständnis im Blick an.
Robina lachte. „Mein Roboter, der mir in den Jahren so etwas
wie ein Gefährte war.“
„Ah, der! Er wird deaktiviert, bei ihm ist das einfacher.“
„Und sag’, Sophie, wo sind wir hier?“ Robina machte eine
Kopfbewegung zum Fenster hin. Die Frage klang verunsichert,
beinahe ängstlich.
„Wir sind auf dem Mars, zur Zeit im BondKosmodrom.“ Sophie sagte es zögerlich, und sie beobachtete
Robina eindringlich.
„Auf dem Mars… Dacht’ ich mir’s doch. Und warum auf
dem Mars? Mein Flug war für die Erde programmiert.“
„Wir sind dir in deinem Leitstrahl entgegengeflogen und
haben dich abgefangen. Ansonsten wärst du bereits wieder
über das Sonnensystem hinaus, bei Geschwindigkeit… Deine
Automatik hat dich nicht geweckt.“
,Auf dem Mars’, dachte Robina. ,noch ‘zig Millionen
Kilometer von der Erde entfernt…’ „Vier Wochen Quarantäne.
Du verstehst, Sophie, dass ich so schnell wie möglich heim zur
Erde möchte.“ Und leise fügte sie hinzu: „Bestimmt sind noch
einige am Leben, die ich kenne, ich möchte sie treffen… Wie
lange fliegt man heute bis zur Erde?“
Sophie schwieg, blickte zu Boden, sagte dann: „Die Planeten
stehen bald in Quadratur zueinander. Du kennst die
Flugmechanik: Beschleunigen, Bremsen… So rasant wie du
dahergebraust kamst, geht es mit den Marsfähren natürlich
nicht. Rechne mit mindestens sechzig Tagen.“ Sophie wich
Robinas Frage aus, um sich zu deren Hoffnung, auf der Erde
Freunde treffen zu wollen, nicht äußern zu müssen. Sie hatten
sich abgestimmt im Rat, der Heimkehrerin die bestmögliche
Betreuung angedeihen zu lassen, sie vorerst weitgehend zu
schonen und erst nach der Quarantäne mit der apokalyptischen
Situation, in der sich die Menschheit befand, vertraut zu
machen. Es würde für sie womöglich ein größerer Schock sein,
meinte Ole, als für jene, die in der Nähe des Geschehens
überlebt hatten und unmittelbar danach mit den Auswirkungen
konfrontiert wurden. Man stelle sich nur vor: Jahrzehntelang
hoffen, das Wunder der Heimkehr und dann dieser unsagbar
enttäuschende Schlag.
„Und du opferst dich für mich.“ Robina stand am Fenster.
Nur noch eine schmale orangefarbene, matt leuchtende Kalotte
stand über den Bergen. Diese selbst erstrahlten in einem
weißlichen Licht, unwirklich wie flächige Kulissen. Das
Gebäude, aus dem Robina hinaus blickte, warf einen langen,
fast schwarzen Schatten über den Park und noch ein Stück in
die Wüste hinein. Und jeder Stein, der dort lag, jeder kleine
Hügel erzeugte hinter sich sein dunkles, verzerrtes Abbild.
Sophie war zu Robina getreten und hatte ihr leicht die Hand
auf die Schulter gelegt. „Du machst mir eine große Freude, bei
dir sein zu dürfen. Bin ich doch der erste Mensch, der dir nach
deiner langen Odyssee ein wenig beistehen kann in dieser
belastenden, tristen Abgeschiedenheit. Mark Sander, der Chef
hier, wird dich natürlich aufsuchen, mit allem gebotenem
Abstand selbstverständlich.“
„Da habe ich wohl Glück gehabt, nicht auf der Erde
hineingeschneit zu sein. Ich könnte mir bei
aller
Bescheidenheit denken, dass es einen tüchtigen Medienrummel
gegeben hätte. Zu meiner Zeit war das üblich.“
„Ja“, sagte Sophie, wandte sich vom Fenster ab und erklärte
ablenkend eifrig: „Sunnyboy ist eine unserer künstlichen
Sonnen. Es gibt noch vier von ursprünglich sieben. Eine
Glanzleistung der Terraforming. Ich glaube, die gab es zum
Zeitpunkt eures Aufbruchs noch nicht.
Aber was schwatze ich hier. Du musst doch Hunger haben
nach
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