Robinas Stunde null
großer Kraftanstrengung stemmte
sie sich empor und ging, mit den Händen stets irgendwo Halt
suchend, stelzig zur Tür, durch den Frachtraum zum Ausstieg.
Birne folgte, blieb ihr dabei so nahe, dass sie sich auf ihn
stützen konnte.
An der Luke blieb Robina stehen, lehnte sich an den Rahmen.
Einen halben Meter unter ihr in der Kabine standen drei
Menschen in weißen Schutzanzügen und blickten
erwartungsvoll auf.
Robina hob die Hand, wollte etwas sagen. Da brach sie
zusammen. –
2
Das Erste, was Robina sah, als sie zu sich kam, war eine junge
Frau, die neben dem Bett in einem bequemen Sessel saß und
mit leicht geöffnetem Mund schlief In ihrem Schoß lag ein
aufgeschlagenes Buch, neben ihr, auf einem Tischchen,
standen eine halbvolle Flasche Saft und ein Glas.
Lang betrachtete Robina die Schlafende. Und ein anderes
Gefühl durchströmte sie als seinerzeit, ,wann? Oh, wie weit ist
das weg!’ – als sie nach Jahren Astrid im Schiff der Fremden
zum ersten Mal sah. In der Fremde und unter bedrückenden
Umständen, Astrid, eine Abenteuerin in selbstgewählter
Ungewissheit… ,Diese hier.’ Robina spürte den Drang, auf die
Frau zuzugehen, sie an sich zu drücken. ,Geborgenheit
verspricht sie, Zusammengehörigkeit, Heimat…’
Mit zärtlichem Blick zeichnete Robina die entspannte Gestalt
nach. ,Ich bin wieder bei den Menschen…’Sie schloss die
Augen, genoss.
Durch das Fenster drang warmes, orangefarbenes Licht. Die
Jalousien malten ein bizarres Gitter auf Fußboden und
Schrank, der in Robinas Blickfeld lag.
Sie richtete sich auf, fühlte sich ausgeschlafen, im Ganzen
matt, aber wohl, und hatte Hunger.
Robina blickte in ein kleines, freundliches Zimmer. Unter
dem Fenster standen ein einfacher Tisch und zwei Stühle, in
der linken Ecke eine mächtige Grünpflanze. Eine schmale,
geschlossene Tür führte offenbar in ein Nebengelass. Einen
Vorhang gab es noch, der unzureichend eine Duschkabine und
ein Waschbecken verbarg. Und, Robina runzelte die Stirn,
neben dem Schrank, diagonal zur Pflanze, gab es in der Ecke
ein zweites, schmales Bett. In der Tür befand sich eingelassen
eine Durchreiche.
Robina lächelte, weil sie einen Augenblick an ein
Badezimmer dachte in einem Raumschiff… Und im Moment
hätte sie nicht zu sagen gewusst, ob sie sich an Reales oder
einen Traum erinnerte, auf jeden Fall an etwas, das weit, weit
zurück lag. –
3
,Ich bin daheim!’ Robina schloss abermals die Augen,
schwelgte sekundenlang in einem aufwühlenden Glücksgefühl
– ,daheim!’
Nur flüchtig dachte sie an die wundersamen Umstände ihrer
Ankunft. ,Wo bin ich eigentlich angekommen? – Bei meinen
Leuten! Wo ist Birne?’ Sie blickte sich erneut im Raum um,
wusste jedoch sogleich, dass sie die korpulente Maschine bei
der ersten Musterung ihres Umfelds nicht übersehen haben
konnte.
Robina setzte sich vollend auf. Erst jetzt fiel ihr Blick auf
einige Kabel, die ihren Körper mit einer kleinen Box
verbanden, die neben dem Bett stand.
Behutsam, um die Schläferin nicht zu wecken, befreite sich
Robina von den Kontaktplättchen und glitt vorsichtig vom
Lager. Sie verharrte sekundenlang, stellte befriedigt fest, dass
ihr Kreislauf keine Mätzchen machte, stand auf und ging mit
kleinen Schritten und doch noch etwas wattigen Beinen zum
Fenster.
Sie bog die leichten Lamellen des Lichtschutzvorhangs
auseinander, schaute hinaus und stellte fest, dass sie sich
irgendwo oben in einem Gebäude befand. Was sie sah,
überraschte: Zu Füßen des Baus ein mittelgroßer Park mit
üppigem Bewuchs und bunter Blütenpracht, ein wenig
verwildert, wie es schien. Dahinter eine weite, rötliche Ebene,
die sich zum Horizont in einer Bergkette verlor, über der
violette Schleier hingen. Darüber aber stand eine
dunkelorangefarbene Sonne, deren Strahlen ins Zimmer
blendeten.
Durch Robinas Kopf gingen wirre Gedanken. Sie musste
plötzlich an Bruder Eds Berichte denken, an dessen Erleben als
Marspionier, an seine Landschaftsschilderungen und
Fotografien. ,Wenn ich es nicht besser wüsste, ich würde
meinen, ich sei auf dem Mars!’
Da lachte sie auf. „Was weiß ich denn schon besser!“
„Oh, hallo“, sagte jemand mit Frauenstimme hinter ihr –
übertönt von einem Rascheln und polterndem Geräusch.
Robina drehte sich um.
Offenbar hatte ihr Ausruf die junge Schläferin geweckt.
Diese war jäh aufgestanden; das Buch lag auf dem Fußboden.
Und jetzt gab Robina ihrem Gefühl nach. Sie stürzte auf die
Frau zu, fiel ihr um den
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