Robinson Crusoe
viele Erben haben würde, sondern vielmehr, um meine eigenen Gedanken, die sich täglich damit abquälten und mein Gemüt verdüsterten, zu befreien. Ich setzte Gut gegen Böse, um daran meinen Zustand von einem noch schlimmeren zu unterscheiden, und stellte ganz unparteiisch die Wohltaten, die ich genoß, dem Unglück, gleichsam wie Debet und Kredit, folgendermaßen gegenüber: Ich hin auf eine einsame Insel verschlagen, ohne alle Hoffnung, wieder fortzukommen.
Ich bin zu lauter Unglück ausgesucht und von aller Welt abgesondert.
Aber ich lebe und bin nicht ertrunken wie alle meine Schiffsgefährten.
Aber ich bin auch aus der ganzen Schiffsbesatzung ausgesucht, um vor dem Tode errettet zu werden; und er, da mich wunderbar vom Tode errettete, kann mich auch aus dieser Lage befreien.
Ich bin von allen Menschen getrennt, ein Einsiedler und aus aller menschlichen Gesellschaft Verbannter.
Ich habe keine Kleider, um mich zu bedecken.
Aber ich hin nicht verhungert und verdorben an einem unfruchtbaren Ort, der keim Nahrung bietet.
Aber ich bin in einem heißen» Klima, wo ich keine Kleider tragen könnte, selbst wenn ich welche hätte.
Ich bin ohne Schutz und Waffen gegen Angriffe von Mensch oder Tier.
Aber ich bin auf eine Insel verschlagen, wo ich keine wilden Tiere erblicke, die mir schaden könnten, wie ich sie an der afrikanischen Küste gesehen; und wie, wenn ich dort gescheitert wäre?
Ich habe keine Menschenseele, zu der ich reden und bei der ich Trost finden könnte. Aber Gott schickte das Schiff wie durch ein Wunder so nah an die Küste, daß ich mir so viele nötige Dinge daraus holen kennte, durch die ich versorgt bin oder mit deren Hilfe ich mich werde selber versorgen können, solange ich lebe. Alles in allem war hier ein unzweifelhaftes Zeugnis dafür, daß es kaum eine, wenn auch noch so jämmerliche Lage in der Welt gibt, die nicht neben dem Negativen auch etwas Positives hat, für das man dankbar sein muß; und möge dies als eine Mahnung gelten von seiten eines, der selber die elendeste Lage durchgemacht hat, in die ein Mensch auf dieser Welt geraten kann, daß sich dabei doch immer noch etwas finden läßt, womit wir uns trösten können und was wir bei der Gegenüberstellung von Gut und Schlecht auf die Habenseile der Rechnung setzen können.
Nachdem ich solcherart mein Gemüt ein wenig mit meinem Zustand ausgesöhnt und auch das viele Hinausspähen ins Meer nach einem Schiff aufgegeben hatte, begann ich mir mein neues Leben einzurichten und mir alles so behaglich wie möglich zu machen.
Meine Wohnung habe ich bereits beschrieben, nämlich, daß es ein Zelt an einer Felswand war, umgeben von einem starken Zaun aus Pfählen und Tauwerk, den ich aber nun eigentlich eine Mauer nennen sollte; denn ich baute an die Außenseite eine zwei Fuß dicke Torfschicht an; und etwa anderthalb Jahre später lehnte ich von dieser Mauer aus Sparren gegen die Felsen und deckte sie mit Zweigen und anderen Dingen, die den Regen abhielten, der zu gewissen Jahreszeiten mit großer Gewalt niederfiel.
Ich habe schon erwähnt, wie ich all meine Habe in diese Umzäunung brachte und in den Keller, den ich hinter mir gegraben. Aber ich muß nun hinzufügen, daß es zuerst nur ein wirrer Haufen von Sachen war, der so viel Platz einnahm, daß ich mich kaum umdrehen konnte. So ging ich daran, meinen Keller noch tiefer in den Felsen hineinzuhöhlen; denn es war ein lockeres, sandiges Gestein, das leicht nachgab. Als ich so weit war, daß ich mich leidlich sicher vor Raubtieren glaubte, arbeitete ich mich seitwärts nach rechts in den Felsen, wandte mich dann nochmals nach rechts und stieß bis ins Freie durch und schuf mir auf diese Weise einen Ausgang außerhalb meiner Verschanzung und zugleich Raum genug, um meine Sachen zu verstauen.
Und nun begann ich mich darauf zu verlegen, mir die Dinge anzufertigen, die ich am nötigsten brauchte, vor allem einen Stuhl und einen Tisch; denn ohne diese konnte ich die wenigen Bequemlichkeiten, die ich in der Welt hatte, nicht genießen. Ich konnte ohne Tisch weder mit Behagen schreiben noch essen, noch verschiedene andere Dinge tun.
So ging ich ans Werk; und hier muß ich anmerken, daß, wie verstandesmäßige Überlegung das Wesen und der Ursprung der Mat hematik ist, so auch jedermann imstande ist, durch Betrachtung und Berechnung aller Dinge und durch gesunden Menschenverstand mit der Zeit jegliches Handwerk zu meistern. Ich halle niemals im Leben ein Werkzeug gehandhabt; aber jetzt merkte
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