Robinson Crusoe
meine, daß mein Pulver durch einen Blitz in die Luft gesprengt werden könnte, weshalb ich denn auch, wie ich soeben erzählte, so bestürzt war, als es blitzte und donnerte und mir dabei diese Möglichkeit einfiel.
Indem ich nun mit der schwermütigen Schilderung eines Lebens in Schweigen, dergleichen die Welt wohl nie zuvor vernommen, beginnen soll, will ich ganz von vorne anfangen und dann eines nach dem ändern berichten.
Es war nach meiner Rechnung der 30. September, als ich, wie oben erzählt, zuerst den Fuß auf diese furchtbare Insel setzte. Die Sonne, für uns in der Herbst-Tagundnachtgleiche, stand just über meinem Scheitel; denn ich befand mich, wie ich berechnete, unter 9° 221' nördlicher Breite.
Als ich etwa zehn oder zwölf Tage dort war, fiel mir ein, daß ich aus Mangel an Papier, Feder und Tinte die Zeitrechnung verlieren und wohl gar die Sonntage nicht mehr von den Werktagen unterscheiden würde. Um das zu verhüten, schnitt ich mit meinem Messer in großen Buchstaben in einen dicken Pfahl: «Ich kam hier an Land am 30. September 1659», machte ein großes Kreuz daraus und richtete es am Ufer auf, wo ich gelandet. In die Seiten dieses vierkantigen Pfahles schnitt ich jeden Tag eine Kerbe, und jede siebente Kerbe war doppelt so lang wie die ändern und jeder erste Tag des Monats wiederum doppelt so lang wie die Sonntagskerbe. So führte ich meinen Kalender oder meine wöchentliche, monatliche und jährliche Zeitrechnung.
Ferner ist zu bemerken, daß sich unter all den Dingen, die ich nach und nach aus dem Schiff holte, schließlich auch Federn, Tinte und Papier fanden sowie einige Bündel Schriften, die dem Kapitän, dem Steuermann, dem Stückmeister und dem Zimmermann gehört hatten, drei oder vier Kompasse, einige mathematische Instrumente, Sonnenuhren, Ferngläser, Karten, Schiffsjournale, die ich alle zusammenpackte, ob ich sie brauchen konnte oder nicht. Auch fand ich drei sehr gute Bibeln, die mir mit meinen Sachen aus England geschickt worden waren, ferner einige portugiesische Bücher, darunter zwei oder drei katholische Gebetbücher und etliche andere, die ich alle sorgfältig aufhob. Ich darf auch nicht vergessen, daß wir einen Hund und zwei Katzen im Schiff hatten, von deren bemerkenswerter Geschichte ich am rechten Ort Gelegenheit nehmen werde, einiges zu vermelden; denn ich nahm beide Katzen mit mir; der Hund aber sprang tags, nachdem ich meine erste Fracht gelandet, selber über Bord, schwamm zu mir ans Ufer und wurde mir ein treuer Diener für viele Jahre. Er brachte mir alles herbei, was er nur konnte, und war immer eifrig um mich her. Nur eines fehlte mir: daß er mit mir redete; aber das konnte er nicht.
Mit Papier, Federn und Tinte ging ich äußerst sparsam um, und man wird sehen, daß ich, solange meine Tinte reichte, alles sehr genau aufschrieb. Als sie aber verbraucht war, war es damit aus; denn ich war auf keine erdenkliche Weise imstande, Tinte zu machen.
Ungeachtet alles dessen, was ich zusammengeschleppt hatte, fehlte mir eben doc h vielerlei; so die Tinte, so auch vor allem Spaten. Haue und Schaufel, um die Erde zu graben und aufzuwerfen, Stecknadeln, Nähnadeln und Zwirn. Was Leinwand angeht, so lernte ich sie bald ohne Schwierigkeit entbehren.
Dieser Mangel an Gerät machte jede Arbeit, an die ich ging, schwer und langwierig. Es dauerte fast ein ganzes Jahr, bis ich meine kleine Pfahlburg oder umzäunte Wohnung ganz fertig hatte: die Pfähle oder Stangen, die so schwer waren, daß ich sie eben noch tragen konnte, nahmen viel Zeit weg, bis ich sie im Walde ab-und zurechtgehauen, und noch mehr, bis ich sie nach Hause geschleppt. Ich brauchte daher manchmal zwei Tage zum Abhauen und Heimbringen eines einzigen solchen Pfahles und einen dritten Tag, um ihn in die Erde einzuschlagen. Dazu benützte ich anfangs ein schweres Stück Holz, später aber verfiel ich auf eine der Brechstangen, mit der es aber immer noch ein mühseliges, langwieriges Arbeiten war. Doch was brauchte ich mich über die Mühseligkeit der Arbeit zu grämen, da ich ja Zeit genug dazu hatte und auch, wenn dies getan war, keine andere Tätigkeit meiner harrte (wenigstens soweit ich voraussehen konnte), als auf der Insel umherzustreifen und nach Nahrung zu suchen, was ich denn auch mehr oder weniger täglich tat. Nunmehr begann ich ernstlich über meine Lage nachzudenken und den Stand der Dinge niederzuschreiben, nicht so sehr, um es jemandem zu hinterlassen, denn es sah nicht so aus, als ob ich
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