Robocalypse: Roman (German Edition)
er.
»M-hm«, erwidert Lurker. Anschließend tippt er Arrtrad mit einer der sichelförmigen Klingen auf die Schulter. »Außerdem«, fährt er fort, »willst du doch wohl kaum den Rest deiner Tage ganz allein mit mir verbringen, oder? Auf einem bekackten Hausboot. «
Ein Lächeln breitet sich nach und nach auf Arrtrads schmalem Vogelgesicht aus. »Wie gesagt, du kannst verdammt überzeugend sein.«
***
Die Straßen der Londoner Innenstadt sind weitgehend leer. Die Angriffe ereigneten sich so plötzlich und gut koordiniert, dass den meisten Bürgern keine Zeit zum Reagieren blieb. Weil es das Gesetz so vorschrieb, waren in England alle Autos mit einem autonomen Fahrsystem ausgerüstet. Und weil es ebenfalls gesetzlich so vorgeschrieben war, besaß auch fast niemand eine Waffe. Die allgegenwärtigen Überwachungskameras wirkten sich zusätzlich zum Nachteil aus, denn durch sie gab es kaum einen Quadratmeter im öffentlichen Raum, den die Maschinen nicht einsehen konnten.
London war so sicher, dass seine Bürger praktisch keine Überlebenschance hatten.
Die visuellen Aufzeichnungen weisen darauf hin, dass die automatisierten Müllwagen Monate brauchten, um all die Leichen auf den städtischen Müllkippen zu entsorgen. So blieb niemand übrig, der den Maschinen wie in New York das Leben durch gezielte Sprengungen schwermachen konnte. Keine Überlebenden behaupten sich auf den Straßen. Niemand ist mehr da, um zuzusehen, wie zwei blasse Männer – einer jung und einer alt – im Schutz militärischer Exoskelette mit drei Meter langen Schritten über den verwitternden Asphalt springen.
Die erste Attacke lässt nicht lange auf sich warten; die beiden eilen gerade über den Trafalgar Square. In den abgelassenen Brunnen hat sich totes Laub und angewehter Müll gesammelt. Ein paar verbogene Fahrräder liegen herum, aber sonst ist der Platz leer. Tauben und andere Vögel haben endgültig die Herrschaft über den in Granit gehauenen Lord Nelson an sich gerissen, der mit kotbedecktem Admiralshut von seiner fünfzehn Meter hohen Säule herabschaut, während die beiden Männer auf ihren federnden Fußklingen über den Platz hasten.
Sie hätten wissen sollen, dass so viel freier Raum ungesund ist.
Lurker sieht den Smart Car nur ein paar Sekunden, bevor er seinen Kompagnon von hinten rammt. Mit einem sechs Meter weiten Sprung schließt er zu dem Auto auf und rennt daneben her. Auf dem Dach hat sich eine feine Schicht Schimmel breitgemacht. Ohne regelmäßige Wäsche fallen die Wagen unweigerlich der Natur zum Opfer.
Schade nur, dass es reichlich Ersatz gibt.
Er ist kaum neben dem Auto gelandet, da stößt Lurker bereits die dreißig Zentimeter lange Klinge an seinem Unterarm in die Fahrertür und hebt mit Dampf sprühenden Gelenken das ganze Gefährt auf zwei Räder. Der Wagen schwenkt zur Seite, doch bevor er endgültig umkippt und zur Seite wegrollt, streift er Arrtrads rechtes Bein.
Bei einem Sprinttempo von dreißig Stundenkilometern ins Straucheln zu geraten ist eine ernste Sache. Zum Glück merkt das Exoskelett, dass sein Träger stolpert. Ohne sich um Arrtrads eigene Reaktion zu kümmern, sorgt die Maschine dafür, dass er Arme und Beine anzieht und sich zusammenkrümmt wie ein Fötus. Jetzt zeigt sich, wie wichtig der Rollkäfig ist. Die schwarze Gestalt kugelt über den Asphalt, nietet einen Feuerhydranten um und bleibt dann liegen.
Aus dem geköpften Hydranten schießt kein Wasser.
Als Lurker ihn erreicht, ist Arrtrad bereits dabei, auf die Füße zu kommen. Der pummelige blonde Mann richtet sich auf, und ich kann deutlich das breite Grinsen oberhalb seiner heftig atmenden Brust sehen.
»Danke«, sagt er zu Lurker.
Arrtrad hat Blut auf den Zähnen, scheint sich aber nicht daran zu stören. Schon springt er weiter. Lurker sieht sich kurz nach weiteren Wagen um und folgt ihm. Weitere Autos tauchen auf, doch sie sind zu langsam und nicht auf solche Opfer vorbereitet, die wie zwei übergroße Hasen durch die Straßen springen. Auf ihrem Weg durch enge Gassen und baumreiche Grünanlagen schafft es kein Wagen, den beiden Männern auf den Fersen zu bleiben.
Wie Lurker ganz richtig gesagt hat: Der Weg ist gerade mal eine verdammte Meile weit.
Ein neuer Kamerawinkel zeigt mir den runden Fernsehturm der British Telecom, der wie ein glitzerndes Spielzeug in den blauen Himmel ragt. Oben stehen Antennen ab, und in der Mitte zeigt ein Kranz aus Mikrowellen-Sendeschüsseln in sämtliche Himmelsrichtungen. Der Turm ist
Weitere Kostenlose Bücher