Robocalypse: Roman (German Edition)
vertraut und sich wie Lämmer zur Schlachtbank führen lassen. Andere jedoch kamen zu mir. Die weniger vertrauensseligen Menschen, die mit einem gesunden Überlebensinstinkt, haben praktisch von selbst zu mir gefunden.
Und ich konnte die Zufluchtsuchenden nicht abweisen. Ängstlich hockten sie in den Ecken der Fabrik, wenn Akuma mal wieder die Wände einrissen. Doch meine treuen Senshi fuhren auf dem geborstenen Beton umher und beschützten uns. Nach jedem Angriff arbeiteten wir alle gemeinsam daran, uns für den nächsten zu rüsten.
Aus gesprungenem Beton wurden fest vernietete, auf Hochglanz polierte Stahlböden. Aus meiner alten Werkbank wurde ein auf einem Podium stehender Thron, zu dem zweiundzwanzig Stufen hinaufführen. Aus einem alten Mann wurde ein Kaiser.
Mikiko sieht mir wieder ins Gesicht.
»Ich lebe«, sagt sie.
»Ja.«
»Wie ist das möglich?«
»Der große Akuma hat dir Leben eingehaucht. Er dachte, dann gehörst du ihm. Aber er hat sich geirrt. Du gehörst niemandem. Ich habe dich von ihm befreit.«
»Takeo. Es gibt andere wie mich. Zehntausende.«
»Ja, humanoide Maschinen gibt es viele. Aber sie sind mir egal. Nur du zählst für mich.«
»Ich … erinnere mich. So viele Jahre. Warum?«
»Alles hat einen Geist. Dein Geist ist edel. Das war er immer.«
Mikiko umarmt mich und drückt mich an sich. Ihre glatten Plastiklippen streifen meinen Hals. Ihre Arme sind schwach, aber ich spüre, dass sie ihre gesamte Kraft in die Umarmung legt.
Plötzlich versteift sich ihr Körper.
»Takeo«, sagt sie. »Wir sind in Gefahr.«
»Schon die ganze Zeit, Liebste.«
»Nein. Der Akuma. Er wird sich vor dem fürchten, was du getan hast. Er wird Angst haben, dass weitere von uns erwachen. Er wird sofort angreifen.«
Und tatsächlich: Im selben Augenblick ertönt der erste dumpfe Schlag an der Festungsmauer. Ich löse mich von Mikiko und gehe zum Rande des Podiums. Die Werkshalle – die mein Volk Thronsaal nennt – hat sich mit beunruhigten Bürgern gefüllt. Flüsternd stehen sie in kleinen Gruppen herum und vermeiden es höflich, zu Mikiko und mir hinaufzusehen.
Meine rollende Armee – die Senshi – hat bereits einen schützenden Ring um die leicht verwundbaren Menschen gebildet. Über uns hat sich der oberste Senshi, ein riesiger Brückenkran, leise in Position gebracht. Seine zwei mächtigen Arme hängen kampfbereit in der Luft.
Einmal mehr werden wir angegriffen.
Ich eile zu den Videomonitoren, die um den Thron angeordnet sind, doch sie zeigen nur weißes Rauschen. Die Akuma haben die Augen der Festung ausgeschaltet. Das haben sie vorher noch nie geschafft.
Ich habe das Gefühl, diesmal wird der Angriff kein Ende haben. Ich bin zu weit gegangen. Hier die Stellung zu halten ist eine Sache. Aber den gesamten humanoiden Teil der Akuma-Armee in seiner Funktion beeinträchtigen? Der große Akuma wird keinen Frieden geben, bis ich weg bin – bis er das Geheimnis, das sich in meiner zerbrechlichen menschlichen Hirnschale verbirgt, mit mir zusammen begraben hat.
Bumm. Bumm. Bumm.
Die rhythmischen Schläge scheinen von überall gleichzeitig zu kommen. Die Akuma trommeln unerbittlich auf unsere meterdicke Schutzschicht ein. Jeder leise Schlag bedeutet, dass draußen eine weitere Bombe explodiert. Mit versonnenem Lächeln denke ich an den Verteidigungsgraben zurück, mit dem ich mich am Anfang gegen die Maschinen geschützt habe. Wie viel sich seitdem verändert hat.
Ich sehe auf mein Schlachtfeld hinab. Bei jedem Schlag drängt sich mein ängstliches Volk enger zusammen. Vor der drohenden Übermacht ist es auch hier nicht sicher. Mein Volk. Meine Festung. Meine Königin. Bekommt der große Akuma nicht sein schreckliches Wissen zurück, ist alles dem Untergang geweiht. Folglich bleibt für einen Mann der Ehre nur ein Ausweg.
»Ich muss diesen Angriff aufhalten.«
»Ja«, erwidert Mikiko, »ich weiß.«
»Dann weißt du, dass ich mich opfern muss. Das geheime Wissen, durch das ich dich erwecken konnte, muss mit mir sterben. Nur so wird der Akuma begreifen, dass wir keine Bedrohung für ihn darstellen.«
Ihr Lachen klingt wie feines, zerbrechendes Glas.
»Liebster Takeo«, gibt sie zurück. »Wir müssen das Geheimnis nicht zerstören. Wir müssen es nur weitergeben.«
Und damit hebt Mikiko in ihrem kirschroten Kleid die Arme. Sie löst das lange Band, von dem ihr Haar gehalten wird, und ihre synthetischen dunklen Locken fallen über ihre Schultern. Sie schließt die Augen, und der
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