Robocalypse: Roman (German Edition)
Zeiten? Wir sollten uns lieber über das Hier und Jetzt Sorgen machen, Kumpel.«
»Dir hat es schon immer an Respekt vor alten Traditionen gemangelt.«
»Jack. Es tut mir leid, dass ich dieses Bajonett verscherbelt habe, in Ordnung? Das war nicht richtig. Aber diese Dinger in die Luft zu sprengen ist richtig. Wofür sind wir sonst hergekommen?«
»Um Menschenleben zu retten.«
»Dann lass uns Menschenleben retten, Jack. Lassen wir das Zeughaus hochgehen.«
»Denk doch kurz mal nach, Cormac. Das ist eine bewohnte Straße. Es wird Tote geben.«
»Wenn all diese Minen entwischen, wird es noch viel mehr Tote geben. Wir haben keine Wahl. Wir müssen etwas Schlechtes tun, um etwas Gutes zu erreichen. In einem Notfall muss man sich nun mal entscheiden. In Ordnung?«
Jack betrachtet einen Moment lang die Sprengroboter. Während sie auf uns zustapfen, werfen sie glänzende rote Kreise auf den polierten Holzboden. »Also gut«, stimmt er zu. »So sieht unser Plan aus: Wir werden uns zur nächsten Armeebasis durchschlagen. Check noch mal, ob du alles Nötige bei dir hast, denn wir werden bis zum Morgen durchmarschieren. Und da draußen ist es eisig kalt.«
»Und was ist mit dem Zeughaus, Jack?«
Jack grinst mich an. Er hat einen verrückten Ausdruck in den Augen, den ich schon ewig nicht mehr bei ihm gesehen habe.
»Mit dem Zeughaus?«, fragt er. »Welches Zeughaus? Von dem Zeughaus bleibt nichts mehr übrig, wenn wir damit fertig sind, kleiner Bruder.«
***
In jener Nacht bahnen Jack und ich uns unseren Weg durch den kalten Nebel, der über der Stadt liegt, hasten dunkle Gassen entlang und ducken uns hinter Häuserecken und Mülltonnen, wann immer wir ein verdächtiges Geräusch hören. Doch zumeist herrscht Totenstille in den Straßen. Die Überlebenden haben sich in ihren Wohnungen verschanzt und Boston der Kälte und den Amok laufenden Maschinen überlassen. Der immer stärker werdende Schneesturm hat einen Teil der Brände erstickt, die wir gelegt haben, aber nicht alle.
Die Stadt brennt.
Gelegentlich hören wir eine dumpfe Detonation in der Ferne. Oder die quietschenden Reifen eines Autos, das auf den vereisten Straßen einem Opfer hinterherjagt. Das Gewehr, das Jack mir gegeben hat, fühlt sich erstaunlich schwer, metallisch und kalt an. Meine Hände klammern sich fest darum wie zwei gefrorene Klauen.
Als ich sie entdecke, flüstere ich sofort Jack zu, er soll stehen bleiben. Stumm nicke ich zu der rechts von uns liegenden Gasse rüber.
Am Ende der engen Gasse, kaum zu erkennen hinter Rauchschwaden und Schneegestöber, marschieren drei Gestalten im Gänsemarsch vorbei. Als das bläuliche LED-Licht einer Straßenlaterne auf sie fällt, halte ich sie zuerst für Soldaten in grauen Kampfanzügen. Aber ich liege falsch. Einer von ihnen stoppt an der Ecke und scannt die Straße, hat den Kopf auf komische Weise schräg gelegt. Das Ding muss weit über zwei Meter groß sein. Die anderen zwei sind kleiner und bronzefarben. Vollkommen reglos warten sie hinter dem Anführer. Drei humanoide Militärroboter. Mit ihrem nackten Metallkörper stehen sie, ohne mit der Wimper zu zucken, im eiskalten Wind. Bisher habe ich solche Dinger nur im Fernsehen gesehen.
»Sicherheits- und Befriedungsroboter«, flüstert Jack. »Ein Arbiter und zwei Hoplites. Ein Squad, also ein kleiner Trupp.«
»Schhh.«
Der Anführer dreht sich um und sieht in unsere Richtung. Ich halte den Atem an und spüre, wie mir der Schweiß die Schläfen runterläuft. Jacks Finger verkrampfen sich so fest in meine Schulter, dass es schmerzt. Doch nach ein paar Sekunden wendet sich der Anführer wieder ab, und die drei Maschinen marschieren weiter. Nur ihre Fußabdrücke bleiben im Schnee zurück – als einziger Beweis, dass sie wirklich da gewesen sind.
Ich fühle mich wie in einem Traum. Kurz bin ich mir nicht sicher, ob ich mir die Roboter nicht nur eingebildet habe. Doch wie dem auch sei: Ein ungutes Gefühl im Bauch sagt mir, dass ich sie auf jeden Fall wiedersehen werde.
Und wir haben diese Roboter wiedergesehen.
Cormac Wallace MIL #GHA 217
Teil 3:
Überleben
»In etwa dreißig Jahren werden wir über die technischen Mittel verfügen, um übermenschliche Intelligenz zu erschaffen. Kurz danach wird das Zeitalter der Menschen enden. Werden wir die Ereignisse so lenken können, dass wir überleben?«
Vernor Vinge, 1993
I.
Akuma
»Alles auf der Welt entspringt dem Geist Gottes.«
Takeo Nomura
Neuer Krieg + 1 Monat
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