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Robur der Sieger

Robur der Sieger

Titel: Robur der Sieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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können Sie sich, wenn Sie nur da-
    nach fragten, selbst Antwort geben.«
    Hiermit neigte er sich über die Reeling hinaus und blieb
    so in Betrachtung versunken stehen.
    Als er den Kopf wieder erhob, waren der Vorsitzende
    und der Schriftführer des Weldon-Instituts vor ihn hinge-
    treten.
    »Ingenieur Robur«, begann Onkel Prudent, der sich ver-
    — 111 —
    gebens zu beherrschen suchte, »das, was Sie zu glauben
    scheinen, haben wir uns keineswegs gefragt. Doch wollen
    wir Ihnen eine Frage stellen, auf die wir jedenfalls Antwort
    erwarten.«
    »Reden Sie!«
    »Mit welchem Recht haben Sie uns in Philadelphia, im
    Fairmont Park überfallen? Mit welchem Recht uns in jene
    Zelle eingeschlossen? Mit welchem Recht entführen Sie uns
    wider Willen an Bord dieser fliegenden Maschine?«
    »Und mit welchem Recht, meine Herren Ballonisten«,
    entgegnete Robur, »mit welchem Recht haben Sie mich be-
    leidigt, verspottet; in Ihrem Club bedroht, und zwar in einer
    Weise, daß ich mich selbst wundere, lebend davongekom-
    men zu sein?«
    »Fragen heißt nicht antworten«, erwiderte Phil Evans,
    »und ich wiederhole Ihnen, mit welchem Recht handelten
    Sie?«
    »Sie wollen das wissen?«
    »Wenn es Ihnen gefällig ist.«
    »Nun gut: mit dem Recht des Stärkeren!«
    »Das ist zynisch!«
    »Aber es ist so.«
    »Und wie lange, Bürger Ingenieur«, fragte Onkel Pru-
    dent, dem nun die Geduld ausging, »wie lange denken Sie,
    dieses Recht uns gegenüber auszunützen?«
    »Aber, meine Herren«, antwortete Robur ironisch, »wie
    können Sie nur eine solche Frage stellen, da Sie nur den
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    Blick zu senken brauchen, um ein Schauspiel zu genießen,
    das in der Welt nicht seinesgleichen findet?«
    Die ›Albatros‹ spiegelte sich eben in der ungeheuren Flä-
    che des Ontario-Sees, sie war eben über das von Cooper so
    hochpoetisch besungene Land gekommen, dann folgte sie
    der Südgrenze dieses weiten Wasserbeckens und wandte
    sich dem berühmten Fluß zu, der ihm die Gewässer des
    Erie-Sees, aber zerstäubt in seinen Katarakten, zuführt.
    Einen Augenblick lang drang ein wahrhaft majestäti-
    sches Geräusch, gleich dem Rollen des Sturms, bis zu ihm
    hinauf, und als ob sich ein feuchter Dunst in den Lüften ver-
    breitete, wurde die Temperatur merklich kühler.
    Tief unten donnerten die ungeheuren Wassermassen in
    Hufeisenbogen hinunter. Man glaubte wohl einen gewal-
    tigen Strom von Kristall vor sich zu sehen, den tausend,
    durch Refraktion aus der Zerlegung des Sonnenlichts ent-
    standene Regenbogen umglänzten. Es war ein wirklich er-
    hebender Anblick.
    Vor diesen Fällen verband eine, gleich einem Faden aus-
    gespannte schmale Brücke ein Ufer mit dem anderen. Etwas
    weiter unten – etwa 3 Meilen entfernt – war eine Hänge-
    brücke darüber geschlagen, über die sich eben ein Bahnzug
    hinschlängelte, der vom kanadischen Ufer nach dem ameri-
    kanischen zu dampfte.
    »Die Niagarafälle!« rief Phil Evans.
    Und dieser Ausruf entfuhr ihm, während Onkel Prudent
    sich die erdenklichste Mühe gab, alle Wunder, die sich vor
    seinen Augen entrollten, scheinbar nicht zu beachten.

    — 113 —
    — 114 —
    Eine Minute später hatte die ›Albatros‹ den Strom über-
    schritten, der die Vereinigten Staaten von der Kolonie Ka-
    nada scheidet, und sie schwebte nun über den unendlich
    weiten Gebieten des nördlichen Amerika.
    8. KAPITEL
    Worin man sehen wird, daß Robur sich entschließt,
    auf die ihm vorgelegte wichtige Frage zu antworten
    In einer der Kabinen des Ruffs auf dem Hinterdeck hat-
    ten Onkel Prudent und Phil Evans zwei vorzügliche Lager-
    stätten, Wäsche, eine hinreichende Menge Kleidungsstücke
    zum Wechseln, nebst Mänteln und Reisedecken vorgefun-
    den. Kein transatlantischer Dampfer hätte ihnen mehr Be-
    quemlichkeiten bieten können. Wenn sie nicht in einem fort
    schliefen, so lag das nur in ihrer Absicht, oder es hielten sie
    mindestens sehr beunruhigende Gedanken davon zurück.
    In welch unberechenbares Abenteuer waren sie hier gera-
    ten? Was zu erleben, und zwar wider ihren Willen zu er-
    leben, stand ihnen alles noch bevor? Wie würde die ganze
    Geschichte ablaufen, und was beabsichtigte eigentlich der
    Ingenieur Robur? – Das war gewiß genug Material, unaus-
    gesetzt ihre Gedanken zu erfüllen.
    Der Diener Frycollin war auf dem Verdeck in einer mit
    der des Kochs der ›Albatros‹ zusammenstoßenden Kabine
    untergebracht worden. Diese Nachbarschaft mißfiel ihm
    keineswegs – er liebte es, sich

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