Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
die Polizei die Amateur-Rocker aus dem Verkehr. Die Geschichte der bayerischen Möchtegern-Wilden ist an dieser Stelle schon wieder vorbei. Die echten Hells Angels in Deutschland gründen sich schließlich nicht in der süddeutschen Pampa, sondern im hohen Norden, 1973 in Hamburg.
Hamburg, St. Pauli, Hells Angels »Germany«
Eine Prämie ist im normalen Leben eine tolle Sache: Sie soll motivieren, man wird für etwas belohnt, es gibt was obendrauf. Im Hamburger Rotlichtviertel wird 1973 jedoch eine »Wegbleibprämie« eingeführt. Die frisch etablierten Hells Angels »Germany« fordern sie von den Wirten auf dem Kiez. Bis zu 10000 Mark müssen die Kneipiers bezahlen, damit die Rocker ihnen nicht den Laden verwüsten.
Zwei Jahre zuvor war Heinz-Rainer Kopperschmidt, der spätere Anführer der deutschen Höllenengel, in die USA gereist und hatte dort um Erlaubnis ersucht, den Namen und die Regeln der Gang auch in Deutschland verwenden zu dürfen. Wieder zurück in der Heimat, wird aus dem Hamburger Bloody Devils MC das erste deutsche Charter der Hells Angels, schön ordentlich nach deutschem Recht. Die Truppe ist als e.V. sogar im Vereinsregister zu finden, was ihnen Jahre später zum Verhängnis werden soll.
Doch zunächst macht Kopperschmidt mit seinen Hamburger Angels dem Ruf der Rocker aus Übersee alle Ehre. Schon kurz nach ihrer Deutschland-Gründung am 16. März 1973 fallen die Biker negativ auf: Sie schlagen im Jugendclub der Apostelkirche im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel zu. Laut Augenzeugenberichten töten sechs Rocker den 20 Jahre alten Gemeindehelfer Dieter K.
Nach der Tat fliehen die beteiligten Hells Angels zu ihren Brüdern in die Schweiz und finden dort eine Zeit lang Unterschlupf. Doch im Dezember 1973 müssen sie sich vor dem Schwurgericht der Hansestadt für den Überfall verantworten und werden zu drei bis viereinhalb Jahren Gefängnis wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt.
Bald darauf beschäftigt die Hamburger Polizei schon einen auf Rockerkriminalität spezialisierten Fahnder. Kriminalhauptkommissar Hans Jürgen Wolter äußert sich damals im SPIEGEL über das Verhalten der Hamburger Angels: »Erfolgreich bemühen sie sich, einigermaßen unauffällig zu sein. Im Prinzip verschwiegen gegenüber jedermann.«
Sieben Jahre und unzählige Straftaten später ist dieselbe Gang wieder in ein brutales Verbrechen verwickelt. Auf Sylt haben sich die Hells Angels in einem Taubenzüchterheim getroffen, um ein »Stiftungsfest« zu feiern.
Irgendwann verlagern die Rocker ihre Sause in eine Diskothek. Es gibt Ärger, und zwei der trinkfreudigen Brüder werden von dem Geschäftsführer aus dem Club geschmissen. Die beleidigten Rocker sinnen auf Rache, holen Verstärkung, und am frühen Morgen stürmen sie das Lokal. Der 37-jährige Detlef B. stirbt unter Hieben und Messerstichen in Leber und Nieren.
Die Rocker festigen mit dieser Tat ihren Ruf in der kriminellen Szene der Hansestadt. Es ist eine Zeit, in der viel Geld im Rotlichtmilieu verdient wird. Die »Jungs«, wie die Kiezgrößen genannt werden, heißen »Chinesen-Fritze«, »Lackschuh« oder »Schöner Micha«. Zwar wird ab und an einer umgelegt, doch es lässt sich Verblüffendes in der Kriminalstatistik feststellen: Die Zahl der Straftaten sinkt auf St. Pauli in dieser Zeit um 15 Prozent.
Sicherlich, und das ist ganz unironisch gemeint, auch ein Verdienst der Hells Angels. Der Hannoveraner Rockerchef Frank Hanebuth wird Jahre später in der niedersächsischen Landeshauptstadt auf ähnliche Art und Weise das Milieu befrieden, denn »Ruhe im Rotlicht« bedeutet höhere Einnahmen.
Doch in Hamburg ist es mit der Ruhe bald vorbei. Im August 1983 gibt der damalige Innensenator Alfons Pawelczyk, SPD , den Befehl für den größten Polizeieinsatz seit Kriegsende. Mehr als 500 Beamte beteiligen sich an diesem Schlag gegen die Hells Angels, sie durchsuchen rund 80 Wohnungen und stürmen das Vereinslokal »Angel’s Place«. Monatelang waren Telefonanschlüsse der Rocker abgehört und über 600 Gesprächsstunden auf Tonbändern festgehalten worden. Der Verein wird verboten.
DIE BANDIDOS
Die späteren Lieblingsgegner der Hells Angels, die Bandidos, wurden 1966 im texanischen Houston gegründet, unter anderem von ehemaligen Veteranen des Vietnamkriegs. Ihre Clubfarben sind Rot und Gold, das Emblem der Gang zeigt einen mexikanischen Banditen mit übergroßem Sombrero, der in seinen Händen einen Revolver und eine Machete hält.
Das erste
Weitere Kostenlose Bücher