Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
wiederherstellen wollen. Sein Komplize Thomas K. wollte hingegen seine Position bei den Bandidos, denen er als Mitglied auf Probe – als sogenannter »Probationary« – angehörte, festigen. Deshalb habe er auf Robert K. geschossen.
Wenn man so will, war es ein Mord, begangen halb aus »Ehre«, halb aus Ehrgeiz.
Die Chance zum Verbot wird vertan
Eine der entscheidenden Passagen im Urteil des Landgerichts Münster findet sich in der schriftlichen Ausfertigung auf Seite 9, ganz oben:
Anfang des Jahres 2007 geriet (…) Robert K. als mögliches Ziel eines Anschlags ins Visier der Angeklagten bzw. des Motorradclubs »Bandidos«. Der Angeklagte B. wollte für die Überfälle auf ihn und die Auflösung des Chapters »Bremen« Rache nehmen und so sein Ansehen im Club, welches nach der Auflösung seines Chapters stark gelitten hatte, aufbessern.
Der Angeklagte K. stand kurz vor seiner Vollmitgliedschaft und wollte sich durch die Tat Ansehen in dem Club verschaffen, indem er seinen Clubkameraden B. bei der Rache wegen der erlittenen Überfälle unterstützte.
Und dann steht dort noch zu lesen: »Bei der Planung eines Anschlags wurden die Angeklagten möglicherweise durch andere Chaptermitglieder unterstützt.«
Fünf Jahre später, als es im Nachgang des Rockerkriegs bundesweit Verbote gegen die Clubs hagelt und für manche dieser Verfügungen sogar Trunkenheitsfahrten einzelner Mitglieder herangezogen werden, sorgt das Urteil für Irritationen. Denn augenscheinlich haben hier zwei Bandidos, die wenig bis nichts miteinander zu schaffen hatten, einen Hells Angel getötet, mit dem sie bislang wenig bis nichts zu schaffen hatten. Und trotzdem hinterfragt das Gericht bei der juristischen Aufarbeitung nicht die (wohl entscheidende) Rolle der Gangs in diesem Fall.
Gleichwohl ist die Kammer davon überzeugt, dass die Ehrbegriffe der Rocker und ihr übersteigerter Ehrgeiz letztlich aus ziemlich unbescholtenen Handwerkern Mörder gemacht haben. Doch nach der Verantwortung für diese Entwicklung suchen die Richter nicht, selbst wenn sie ahnen, dass die anderen Biker den Hass des Heino B. stetig angefacht hatten, dass sie ihn so lange demütigten, bis er irgendwann explodierte.
»Man macht sich da jahrelang über so‘n Heino lustig«, sagte ein Bandido nach dem Mord in Ibbenbüren einem anderen, »und dann auf einmal lässt er es sich doch nicht gefallen.« Und der Anführer der Osnabrücker Bandidos, bei dem der Ex-Gangchef B. als einfaches Mitglied geführt wurde, offenbarte einem Kriminalhauptkommissar: Heino »könnte ja den Club in Bremen wieder aufbauen, wenn er das schafft, und dann dort wieder Präsident werden«.
Doch das Landgericht folgt diesen Fährten nicht. Zudem übergeht die Kammer deutliche Hinweise darauf, dass die Rocker den beiden Mördern bei der Beschaffung der nie gefundenen Tatwaffe halfen. So ergab die Auswertung des Navigationsgeräts aus dem Kia Carnival, dass Heino B. vor dem Anschlag zweimal eine bestimmte Straße in Oldenburg angesteuert hatte. Auch wurde sein Handy sowohl Anfang Januar als auch Mitte März dort geortet. Nach Erkenntnissen der Polizei wohnte in der betreffenden Gegend der Waffenmeister des örtlichen Chapters, der in der Szene dafür bekannt war, seine »Brüder« bei Bedarf gerne aufzurüsten.
Hinzu kommt, dass Thomas K. unmittelbar vor dem Mord, es ist genau 8.07 Uhr, eine SMS an ein Handy schickt, das die Ermittler dem »Sergeant at Arms« der Bandidos »Osnabrück« zurechnen. Üblicherweise ist dieser Offizier in den Rockerclubs für die Einhaltung der Disziplin sowie für Gewalttaten aller Art zuständig. Insofern liegt der Verdacht nahe, dass K. den geplanten Anschlag ankündigte – sicherlich nur in knappen Worten wie: »Es geht los.« Demnach hätten also andere Bandidos in den mörderischen Plan eingeweiht sein müssen.
Was folgt daraus? Paragraf 129 des deutschen Strafgesetzbuches besagt:
Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt oder sie unterstützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Es gibt Ermittler, die bereits 2007 nicht fassen konnten, dass die Polizei Münster sich die Gelegenheit entgehen ließ, nach dem Mord im Namen eines Motorradclubs gegen alle Bandidos in der Region vorzugehen. »Das Fass wollte man nicht aufmachen«, sagt
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