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Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Diehl , Thomas Heise , Claas Meyer-Heuer
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Kimi« ihre Körper für halbe Stunden verkaufen, steigt Hanebuth eine schmale Treppe hoch und biegt in der ersten Etage nach links ab. Es geht durch eine Tür mit der Aufschrift »Security« in einen schmalen Gang, an dessen Ende das Zimmer liegt, in dem der Pate von Hannover Audienzen gewährt.
    Ein dunkler, rechteckiger Raum mit einem riesigen Schreibtisch und einem fast ebenso großen Bild eines Pitbulls an der Wand. Sonst ist das Zimmer fast leer. Hanebuth macht kurz vor seinem Büro einen Schlenker nach links in den »Wirtschafterraum«. Hier versorgen sich die Prostituierten mit Cola, Kondomen und Feuchttüchern. Den täglichen Bedarf organisiert ein sogenannter Wirtschafter. 2009 ist das der verurteilte Hells Angel und Hooligan Markus »Maxe« W., der 1998 den französischen Polizisten Daniel Nivel so malträtierte, dass dieser bis heute schwerbehindert ist.
    Hanebuth platziert sein Muskelensemble unter einem Flachbildfernseher an der Wand, es laufen die Nachmittagsnachrichten im Öffentlich-Rechtlichen. Ein Beitrag über Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche schwirrt durch den Raum. Der Rockerboss greift diese Steilvorlage sofort auf: »Mach doch mal einen Bericht über diese Sittiche. Das wäre wichtiger als über uns«, dröhnt er.
    »Sittiche« gehört zum Stammvokabular des Hannoveraners, variabel einsetzbar als Bezeichnung für missliebige Politiker, Polizisten und Verräter. »Kuruzzen« ist auch ein typisches Hanebuth-Wort, mit dem er abfällig Milieufiguren mit ausländischen Wurzeln bezeichnet, wenn sie ihr Wort nicht gehalten haben. Die Bandidos wiederum nennt der Mann, der selbst »der »Lange« heißt, nur »die Hüte«.
    Hanebuth ist kein begabter Redner, in seinen Sätzen steckt nicht dieselbe argumentative Kraft wie in seinen Oberarmen. Am liebsten sagt er nicht viel, sondern gibt Ein-Wort-Antworten. Wenn er Fragen ablehnt, schweigt er. Frank Hanebuth kann gut schweigen. In der Rotlicht- und Rockerszene des Jahres 2009 sind seine spärlichen Worte in Stein gemeißelte Gesetze, nicht nur in Hannover, nicht nur in Deutschland.
    Während des Gesprächs stärkt sich der Hüne aus einem winzig wirkenden Plastikbecher Instantnudelsuppe, obschon er gutes Essen und erlesene Weine zu schätzen weiß. Hanebuths Stärke im Vergleich zu anderen Rotlicht- und Rockergrößen ist, dass er sich auch auf dem bürgerlichen Parkett sicher bewegen kann, beherrscht er doch beides, unten und oben, Gosse und Gourmet. Wie ist das möglich?
    Der Anfang
    Ein Foto aus dem Mai 1980 liefert vielleicht eine Erklärung. Auf dem inzwischen verblichenen Zeitungsbild lächelt ein 15-jähriger Halbwüchsiger mit Föhnfrisur etwas linkisch in die Kamera. Er trägt ein weißes Hemd und die obligatorisch grüne Krawatte der Schützenbrüder. Frank Hanebuth ist gerade Junioren-König im Ortsverein Osterwald-Unterende nördlich von Hannover geworden. Der schlaksige Jugendliche umarmt den Vereinsvorsitzenden der kreuzbiederen Ballermänner, deren Club er nach eigener Aussage auch noch 30 Jahre später angehören wird.
    Hanebuth ist ein Kind der Mittelschicht und hat diese irgendwann aus eigenem Antrieb verlassen. Während viele andere Rocker ihre Grundausbildung in Sachen Gewalt in der eigenen Familie absolvieren, wächst Hanebuth behütet auf, sein Vater ist Berufsschullehrer, seine Mutter Chefsekretärin. Die Schwester studiert später Jura und arbeitet heute als Anwältin.
    Nach der Realschule unterschreibt der 16-Jährige zusammen mit seinen Eltern einen Ausbildungsvertrag bei einer Zimmerei. Er ist kein langhaariger Halbstarker in einer Kreidler- oder Zündapp-Gang wie so viele Gleichaltrige Anfang der achtziger Jahre. Das Verhältnis zu seinem Meister ist so gut, dass der Chef ihm sogar den Führerschein spendiert.
    Noch während seiner Lehre nimmt der 18-Jährige einen lukrativen Nebenjob an. Er schlägt aus seinem kräftigen Körper Kapital. Hanebuth heuert in Sehnde bei Hannover in dem Provinzpuff »Le Chat« an. »Mich hat das Geld gelockt. Ich war immer knapp bei Kasse, weil ich damals nicht mehr zu Hause wohnte. Dort konnte ich an einem Wochenende zehnmal mehr verdienen als als Lehrling«, erklärt Hanebuth viele Jahre später.
    Als Barkeeper schenkt er überteuerten Billigsekt aus, den sich aufreizende Damen gewünscht und paarungslustige Männer bezahlt haben. Der Beamtensohn Hanebuth begleitet auch Kunden an die frische Luft, selbst wenn die noch gar nicht gehen wollen. Die nötige Durchsetzungsfähigkeit hat er

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